Biografie:Andy Warhol

Jean-Michel Basquiat Ausstellung

Andy Warhol hat die neue amerikanische Kunst kreiert und einen neuen Begriff des Stars. Jeder sei ein Star, mindestens fünfzehn Minuten lang.

(Foto: dpa)

Detailreich und farbig erzählt die Autorin aus dem Leben des ungewöhnlichen Künstlers.

Von Fritz Göttler

Sein Leben war eine vollgestopfte Rumpelkammer, und viele der Stücke darin kennt man überall in der Welt. Die Crazy Golden Slippers, die Campbell Suppendosen - 34 Sorten und Stück -, die Gold Marilyn Monroe, der elektrische Stuhl aus der Death and Disaster-Serie, der Triple Elvis, die Filme Sleep und Empire - ein Acht-Stunden-Blick aufs Empire State Building -, Kitchen und The Chelsea Girls. Ihnen allen begegnet man in dem Warhol-Buch von Maren Gottschalk, und vielen mehr.

Es beginnt als klassisches Genrestück, als beispielhafte amerikanische Aufsteigergeschichte. Die Eltern sind Immigranten, Ondrej und Julia Warhola aus dem kleinen Ort Miková in der heutigen Slowakei, der Vater versucht in Pittsburgh, eine solide Basis für die Familie zu erschuften, am 6. August 1928 wird dort Andrew geboren, der sich später Andy Warhol nannte.

Andy liebt von Kindheit an das Kino, hadert mit seinem Aussehen, der Nase, ist scheu und sehnt sich nach Anerkennung. Er liebt Männer und will Künstler werden, aber zum Gelderwerb arbeitet er gern als Grafiker, macht erfolgreich Schaufensterdekoration und Werbeseiten, für große Marken und luxuriöse Magazine. Die neue Kunst, die er im Sinn hat, kennt keine Scheu vor Oberflächlichkeit und kommerziellen Techniken, baut auf Selbstdarstellung. Maren Gottschalk erzählt in farbiger Detailfülle, unter Verzicht auf banale Deutungen, auf Psychologisierung und Mythisierung, Andy Warhol erscheint als ganz pragmatische Figur bei ihr.

Natürlich liebt er das Kino, und die intellektuelle Welt New Yorks fasziniert ihn, Truman Capote löst Shirley Temple als großes Idol ab. Solange die abstrakten Expressionisten - Jackson Pollock, Willem de Kooning - die Szene dominieren, kommt er nicht zum Zuge, aber dann schaffen er und seine Kumpel - Claes Oldenburg, Roy Lichtenstein - den Pop als amerikanische Kunst und Vision, die bis heute amerikanisches Leben prägt. Am 31. Oktober 1962 eröffnet die Ausstellung The New Realists, drei Tage nach Beendigung der Kubakrise, die die Welt mit einem drohenden dritten Weltkrieg verstörte. Von diesem Moment an gehört Amerika - und seinem Pop-Chronisten Warhol - die Zukunft.

Andy Warhol wird ein Star und muss sich immer öfter neu erfinden, er schafft seine berühmte Factory, wo er Hof hält unter seinen Freunden. Hollywood will ihn nicht, also dreht er in New York, besser: lässt drehen, Film auf Film. "Ich will es simpel, ich will Plastik und ich will es weiß", hat er bei Kitchen gesagt, der Film hat Norman Mailer begeistert, für den Pop absolut politisch ist. "Noch in hundert Jahren würden die Menschen Kitchen anschauen und sagen: ,Ja, so war das in den späten 50ern und frühen 60ern in Amerika. Deshalb hatten sie diesen Krieg in Vietnam. Deshalb wurden die Flüsse verschmutzt.'"

Am Ende müssen wir uns Andy Warhol doch als glücklichen Menschen vorstellen. So wie auf der Fahrt zur ersten Ausstellung in Los Angeles, quer durch Amerika. Dieses Amerika ist mindestens drei Jahre dem in New York hinterher. Aber auch dieses Amerika ist Pop. Warhol merkt, wie sehr er dieses Land liebt, "und er beschließt, es niemals zu verlassen. Ohne Drive-Ins am Straßenrand, Rieseneiswaffeln oder Hot-Dogs will er nämlich nicht leben."

Maren Gottschalk: Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol. Beltz & Gelberg 2015. 261 Seiten, 18,95 Euro.

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