Bildergalerie:Und täglich grüßt das Erdhörnchen

Das Musikvideo der Band "Weezer" parodiert Youtube-Filme und beweist, dass das Portal eine der wichtigsten Referenzgrößen der Popkultur ist. Die Bilder.

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Chris Crocker - LEAVE BRITNEY ALONE!, Screenshot: YouTube.com

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Das Musikvideo der Band "Weezer" parodiert Youtube-Filme und beweist, dass das Portal eine der wichtigsten Referenzgrößen der Popkultur ist. Die Bilder.

Die kalifornische Band Weezer ist immer schon so etwas wie ein Irrlicht der populären Musik gewesen - unfassbar in Raum und Zeit. Es gibt sie seit 1992, sie stehen für etwas, das man bei den Labels als Post-Punk, Pop-Punk oder College-Rock umschreibt. Gemeint sind eingängige Songs, die so supersmart und ironisch gebrochen daherkommen, dass man Weezer für die legitimen Erben der Talking Heads halten könnte, jener postmodern geschüttelten Truppe um den Stadtneurotiker David Byrne, der sich den Himmel als Kneipe vorstellte und wünschte, dass man doch bitte die Produktion von Sinn einstellen möge.

Text: Bernd Graff

Screenshot: YouTube.com; Chris Crocker - LEAVE BRITNEY ALONE!

One Man Band, Screenshot: YouTube.com

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Weezers erster Hit "Buddy Holly" aus dem Jahr 1994 klang - nun ja - wie liebevoll gespielter Fangesang für Buddy Holly und entrückte die Band wegen des dazu gehörenden Musik-Clips gleich in ein Amerika der unbeschwerten Abschlussbälle, wippenden Pferdeschwänze und wirbelnden Petticoats. Wahrscheinlich liegt es an der penetranten Retro-Harmlosigkeit dieses Filmchens, dass es auf der Installationsdisk von "Windows 95"als Beleg für dessen multimediale Fähigkeiten zu hören war. Weezer, die dann aber doch alle nur denkbaren Bandkrisen von Teilauflösung, Schreibblockaden, Familiengründung, Studienaufnahme, Nervenzusammenbrüchen bis zum versuchten Selbstmord des Bassisten durchlebten, eierten danach durch die Genre-Geschichte des Pop.

Screenshot: YouTube.com; One Man Band

Guiness World Record for most T-Shirts worn at one time, Screenshot: YouTube.com

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Sie schauten mal in den Achtzigern vorbei, mal in den ewigen Jagdgründen des Schlagers, sie kokettierten mit dem fernen Osten und dann wieder mit der amerikanischen Provinz, gaben sich als Lieblinge der Nerds und als Sprachrohr der Hillbillys. Weezer waren also von Anfang an zweierlei zugleich: sie agierten pop-historisch souverän, mit einer äußerst sympathischen Lust an Bricolage und Verstellung. Und sie waren seit je dem Virtuellen mit heißem Herzen zugetan.

Screenshot: YouTube.com; Guiness World Record for most T-Shirts worn at one time

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Nie aber waren sie es mehr als in ihrem neuen Video, das um den Song "Pork and Beans" des für Anfang Juni annoncierten "Red Albums" produziert wurde. Es ist bereits auf YouTube zu sehen und es ist jetzt schon klar, dass nicht der Song der Pop-Hit des neuen Albums wird, sondern das Video selbst. Denn es läuft - falls es so etwas gibt - in der Heavy Rotation der Videoabspielstation und bricht alle Rekorde: Anfang Mai wurde es unter der Regie von Mathew Cullen an einem Wochenende in North Hollywood gedreht, am 23. Mai wurde es bei YouTube eingestellt. Über vier Millionen Mal ist es seitdem abgerufen worden, über 21000 Kommentare wurden dazu abgegeben, im Netzjargon nennt man es schon das "ultimative Mash-up-Viralvideo."

Screenshot: YouTube.com; "Chocolate Rain" Original Song by Tay Zonday

Dramatic Gopher, Screenshot: YouTube.com

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Das Video ist eine Kompilation aus den Bildern der erfolgreichsten YouTube-Videos aller Zeiten: Ein Konzentrat aus seinen bekanntesten Freak-Shows und originellsten Filmideen, ein Best-of-Bewegtbild des Amateur-Pop. So etwas gab es zwar schon, im Zusammenschnitt "The Internet Stars Are Viral" von Cakke.com. Dort wurden bekannte YouTube-Videos einfach unverändert montiert. Bei "Pork and Beans" aber singen die Akteure der Originalvideos mit und spielen dabei ihre YouTube-Inszenierungen nach. Sie tun also im alten Outfit zu neuer Melodie noch einmal das, wofür sie berühmt wurden: tanzen, springen, weinen, Cola versprühen, Unmengen von T-Shirts übereinander anziehen oder sich kolossal dumm verhaspeln. Und ab und an dreht sich das "dramatische Erdhörnchen" in die Kamera.

Screenshot: YouTube.com; Dramatic Gopher

Will it Blend, Screenshot: YouTube.com

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Bei jeder Einstellung fragt man sich: Wer war das noch mal, mit welcher Panne, mit welcher schrulligen Idee hat er kurzfristig unsere Aufmerksamkeit erheischen können? Ist das wirklich die sinnlos labernde "Miss South Carolina 2007", die da jetzt so keck mitträllert? Der viel Wimperntusche verheulende Chris Crocker aus dem verzweifelten "Leave Britney alone!"-Video? Klar doch! Sie sind es. Und sie sind wieder ganz sie selbst. Und, ja doch!, auch der Ingenieur mit der bruchsicheren Brille, der nach der Frage "Will it Blend?" seit Jahren irgendwelche Dinge durch den Mixer jagt, wird zitiert. Der hat sich sogar "revanchiert", indem er das Schreddern einer Büchse "Pork and Beans" und einer Weezer-CD als YouTube-Videobotschaft zurückschickte.

Screenshot: YouTube.com; Will it Blend

Crank That Soldier Boy, Screenshot: YouTube.com

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Das Konzept ist Selbstreferentialität pur: Des Mediums, der Bilder, der Band, der Beiträger. Alles dreht sich, doppelt sich, spielt an und verweist doch nur auf sich selber. Ein Spiel mit der Internet-Meme also, unserem kollektiven Netz-Video-Gedächtnis, in dem die Amateur-Schnipsel inzwischen im Loop gespeichert sind wie die Bestände eines Kuriositäten-Kabinetts.

Screenshot: YouTube.com; Crank That Soldier Boy

Diet coke and Mentos experiment, Screenshot: YouTube.com

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All die hier zusammengebrachten "Net-Celebs" haben nichts miteinander gemein außer der Tatsache, wegen irgendwelcher Auffälligkeiten, auf die einmal eine Kamera gerichtet war, der Massen-Degustation von YouTube ausgesetzt worden zu sein. Die Tatsache, dass gerade unprofessionelle Selbstinszenierungen, Dokumente laienhaften Scheiterns auf YouTube oftmals so populär werden, erinnert an die Anfänge anderer Massenattraktionen, an das frühe Kino und den Freakshow-Charakter des Vaudeville, bei dem man gerade über Pannen und Monstrositäten lachen konnte.

Screenshot: YouTube.com; Diet coke and Mentos experiment

Afro Ninja; Screenshot: YouTube.com

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Das neue Weezer-Video bietet all diesen Stars aber auch Gelegenheit, ihr Zombie-Image und ihre mit den Ursprungsfilmen oftmals der Lächerlichkeit preisgegebene Würde wiederherzustellen. Der hämisch verlachte "Afro-Ninja", der nur dafür berühmt wurde, dass er bei einem Salto kolossal auf die Nase fiel und dann benommen aus dem Bild taumelte, darf nun endlich Angreifer en masse verkloppen. Und Miss South Carolina, die in einer Talkshow dummes Zeug über die geographischen Kenntnisse ihrer Landsleute zum Besten gegeben hat, darf hier smart lächeln.

Screenshot: YouTube.com; Afro Ninja

Evolution of Dance; Screenshot: YouTube.com

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So swingen die YouTube-Stars, die spätestens mit diesem Video in der "Hall of Fame des Augenblicks" angekommen sind, ganz unbekümmert und herzhaft mit, als könnten sie so den unsichtbaren Fluch bannen, der auf den meisten von ihnen allen lastet - als könnten sie so der Endlosschleife ihrer visuellen Codierung entkommen, ausbrechen aus dem Gefängnis ihrer abermillionenmal abgespielten Video-Sequenzen. Und doch: Es gelingt nicht. Der YouTube-Ruhm ist unerbittlich, wir müssen uns das "dramatische Erdhörnchen" als Murmeltier vorstellen, das täglich grüßt.

Screenshot: YouTube.com; Evolution of Dance

Daft Hands - Technologic,Screenshot: YouTube

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Natürlich ist das alles eine ebenso sinnlose Veranstaltung wie es schamloses Recycling von Videoversatzstücken ist, die ihren Aufmerksamkeitszenith eigentlich überschritten haben. Diese Total-Referenz auf YouTube kann aber auch gelesen werden als Reverenz an die Macht des neuen Mediums. Als Verbeugung vor dessen Kraft, völlig disparate, oftmals laienhaft produzierte Bilder in unser aller Gedächtnis zu schicken und dort zu verankern. Auch wenn wir sie noch für flüchtige Büro-Unterhaltung halten.

Screenshot: YouTube.com; Daft Hands - Technologic

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