Bildergalerie:"Ich klage an", schreit der Titel

Provokant und kontrovers: George Lois' geniale Cover brachten dem Magazin Esquire Millionenauflagen - jetzt sind sie im MoMA zu sehen. Die Bilder.

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Lois Werbung, oH

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Provokant und kontrovers: George Lois' geniale Cover brachten dem Magazin Esquire Millionenauflagen - jetzt sind sie im MoMA zu sehen. Die Bilder der Zeitschriften-Motive.

George Lois ist vielleicht der einflussreichste Werbemann seiner Generation. Er produziert mehr gute Ideen an einem Tag als andere Leute in einem Jahr. Berühmt wurde sein "think small" für Volkswagen, sein "I want my MTV", das dem Sender das Leben rettete, oder die Schaffung des neuen Konzepts "lean cuisine" (magere Küche) für Gourmet-Tiefkühlkost. Er machte aus dem komplett unbekannten Tommy Hilfiger mit nur einer Anzeige einen berühmten Mann und eine berühmte Marke. Er machte Werbung für Bobby Kennedys erfolgsgekrönten Senats-Wahlkampf und schleppte für sein einziges Musikvideo (Bob Dylans "Jokerman" ) 1983 den MTV Best Music Video of the Year Award ab. Heute ist der einst als schöner, "goldener Grieche" gefeierte Designer und Autor 76 Jahre alt und arbeitet immer noch kreativ.

Text: Christine Brinck

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Esquire Cover, Esquire

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Zwischen 1962 und 1972 entwarf er für das amerikanische Magazin Esquire 92 Titel, die so provokant und kontrovers waren, das sie die Auflage der Zeitschrift von 500 000 auf 2,5 Millionen hochjagten. Esquire, 1933 gegründet, trug lange den Untertitel "The magazine for men". Darunter sollte man sich nun nicht eine Art präexistenten Playboy vorstellen. Esquire war nie schlüpfrig oder platt, es war immer intelligent, ironisch und höchst sophisticated. Die besten Federn des Landes - ob Ernest Hemingway, Norman Mailer, Truman Capote, Tom Wolfe, Philip Roth, Gay Talese, Irwin Shaw, Gore Vidal, Dorothy Parker oder Nora Ephron - waren sich nie zu schade, für das Magazin zu schreiben.

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Lois und Hayes, oH

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Die Cover, die Lois in einer selten guten künstlerischen und journalistischen Partnerschaft mit dem damaligen Chefredakteur Harold Hayes schuf, sind gegenwärtig Gegenstand einer kleinen und feinen Ausstellung in New Yorks MoMA. 32 seiner 92 Cover sind hier ausgestellt. Die Entstehungsgeschichten werden erzählt, die Schwierigkeiten, die Konsequenzen für den Verkauf, die Anzeigeneinbrüche.

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Esquire Cover, Esquire

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So bat Hayes Lois für das Dezemberheft 1963 um etwas "Weihnachtliches". Lois packte Sonny Liston, den Boxweltmeister mit dem bad boy- Image, auf den Titel - mit einer Weihnachtsmannkapuze auf dem Kopf. Liston war vermutlich der Mann, den das weiße Amerika als Allerletzten als Weihnachtsmann vor der Türe sehen wollte. Die Provokation kostete die Zeitschrift 750 000 Dollar an verlorenen Werbeeinnahmen, Abonnenten wollten ihr Geld zurück, wütende Briefe trudelten ein. Hayes erklärte später: Liston habe mehr Ärger gemacht als jeder andere Titel seit der Erfindung des Buchdrucks. Aber die Aufmerksamkeit heischende Kontroverse zahlte sich am Kiosk prächtig aus. Bald machte das Magazin drei Millionen Gewinn im Jahr.

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Esquire Cover, Esquire

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Typisch für Lois' Cover ist ihre Klarheit, oft kommen sie ganz ohne Text aus, ganz nach Lois' Motto: "Ein gutes Magazin-Cover sollte auf denkwürdige Weise dramatisieren, was drinnen steht." So ließ er 1965 , lange vor Kate Millett , Betty Friedan, Germaine Greer und dem ganzen feministischen Theater, das folgen sollte, die schöne Virna Lisi mit eingeschäumtem Gesicht und Rasierer in der Hand Aufmerksamkeit auf den Feminismus-Trend lenken.

Foto: Esquire

Esquire Cover, Esquire

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Als 1967 Stalins Tochter Swetlana nach Amerika emigrierte, hatte Lois es bald satt, überall ihr Gesicht zu sehen. Trotzdem musste auch für Esquire ein Titel mit ihr her. Er hatte die plötzliche Eingabe, mit einem schwarzen Fettstift der Tochter den Bart des Vaters über die Lippe zu malen. Wieder ein Hingucker und ein Hit.

Foto: Esquire

Esquire Cover, Esquire

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Esquire machte es Lois möglich, auf dem Cover seinen persönlichen Kommentar zu dem abzugeben, was im Magazin stand. So entwarf er für ein Heft über die neue Jugendkultur, die sich für ihn in dem ikonoklastischen Film Easy Rider ausdrückte, ein Cover, das unter dem Titel "The Faith of our Children" (Der Glaube unserer Kinder) die ganze grandiose Fassade der St. Patrick's Cathedral zeigte - und montierte über die Türen die erleuchtete Kinoanzeige. Der Film wurde Kult. Und die Erzdiözese von New York war von der virtuellen Verwandlung der Kirche in ein Kino nicht begeistert.

Foto: Esquire

Esquire Cover, Esquire

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Diese Freiheit, seinen eigenen Kommentar auf die ihm gemäße Weise abzugeben, hat sich Lois auch in der Ausgabe zur Pop Art genommen. Das Cover vom Mai 1969 zeigt Andy Warhol, der in seiner eigenen Campbell-Suppe zu ersaufen droht. Lois macht keinen Hehl aus seiner Einschätzung der Pop Art und insbesondere Andy Warhols: Er hielt ihn für einen großen Showman und Innovator, aber "Marcel Duchamp oder Man Ray war er nicht". Als er Warhol damals seine Idee für das Titelbild erklärte , fragte dieser: "Oh, muss man jetzt eine ganz große Dose bauen?" Photoshop gab's noch nicht, also machte Lois zwei Photos, einmal die Dose und separat eins von Warhol, der als Ertrinkender posieren musste. Die Negative sind auf einem Lichttisch in der Ausstellung zu sehen.

Foto: Esquire

Esquire Cover, Esquire

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Lois brachte Muhammad Ali als Märtyrer St. Sebastian in Boxerhose und von Pfeilen durchbohrt auf den Titel, um seinen zähen Kampf gegen Gerichte, Vorurteile und Anklagen bildlich zu machen.

Foto: Esquire

Esquire Cover, Esquire

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Manche Titel waren komplett textlos wie das Cover zum 35. Geburtstag des Esquire vom Oktober 1968. Zwischen den Grabsteinen des Arlington Heldenfriedhofs stehen wie Heilige die drei gemordeten Ikonen des guten Amerika: John F. und Robert Kennedy sowie Martin Luther King. Der Effekt aller dieser Bilder bestand allein in der Kommunikation nur einer mächtigen Idee.

Es gibt auch heute noch Redakteure, die Lois' Kunst bewundern und gelegentlich Ähnliches hinkriegen etwa auf dem New Yorker oder Vanity Fair. Doch mit Neid blicken Leute wie Graydon Carter von Vanity Fair auf Lois' Epoche: "Damals musste man nicht zweitklassige Stars aufs Cover nehmen, um ein Magazin zu verkaufen. Man konnte Ideen auf den Titel packen."

Foto: Esquire

Warhol: Small Torn Campbell's Soup; AFP

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Das machte keiner besser als George Lois, aber dafür brauchte er auch einen Chefredakteur, der das erlaubte und verstand. "Was wir machen, sind bildliche Zolas", pflegte Harold Hayes zu Lois zu sagen: Viele Esquire-Titel schrien "J'accuse" in die Welt.

Warhol übrigens fand das fertige Titelphoto so toll, dass er es gern gegen eines seiner Campbell Soup-Bilder eingetauscht hätte. Das hat Lois nicht interessiert. Wäre er auf den Deal eingegangen, hätte er heute zwar ein paar Millionen mehr, aber das Originalphoto hinge nicht im MoMA.

George Lois - The Esquire Covers; MoMA, bis 30. März 2009, Info: www. moma.org

Foto: AFP; Warhol: Small Torn Campbell's Soup Can

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