Bildergalerie:Ein Traum von einem Spion

Infotainment trifft auf Agentenstory: Isabel Kreitz' Comic "Stalins Spion in Tokio" handelt von Richard Sorge, der maßgeblich daran beteiligt war, dass Hitler den Zweiten Weltkrieg verlor.

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Die Sache mit Sorge, Isabel Kreitz/Carlsen Verlag, Hamburg 2008

Quelle: SZ

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Infotainment trifft auf Agentenstory im Graphic Novel Format: Isabel Kreitz verfasst einen Comic über den Agenten Sorge, der maßgeblich daran beteiligt war, dass Hitler den Zweiten Weltkrieg verlor: "Die Sache mit Sorge" in Bildern.

Er ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Hitler den Krieg verlor: Richard Sorge. Halbrusse, Sohn aus gutbürgerlichem Hause, Jugend im wilhelminischen Deutschland, Freiwilliger im Ersten Weltkrieg. Nach einer schweren Verletzung, die ihm das Eiserne Kreuz einträgt, denkt Sorge um. Er wird zum überzeugten Kommunisten, arbeitet unter anderem am Institut für Sozialforschung in Frankfurt, daneben diverse Affären und Schlägereien.

Während eines Aufenthalts in Moskau wird er vom sowjetischen Geheimdienst angeworben, in Shanghai baut er sich als Journalist für deutsche Zeitungen ein Netzwerk aus hochkarätigen Informanten auf, das ihm bei seiner folgenden Mission gute Dienste erweist: Ab 1934 lebt er in der kleinen deutschen Kolonie in Tokio, tritt pro forma der NSDAP bei und wird enger Vertrauter des Botschafters Eugen Ott.

Im Jahr 1941 schließlich Sorges Triumph: Zwar klingt seine brisante Nachricht von Hitlers "Unternehmen Barbarossa" für Moskau noch derart unglaubwürdig, dass sie dort ignoriert wird; der Hinweis jedoch kurz danach, Japan habe nicht vor, in Deutschlands Russlandfeldzug einzugreifen, entscheidet den Krieg zugunsten der Alliierten, denn Stalin verlegt unverzüglich die meisten seiner Truppen in den Westen. Einen Monat später wird der Spion mit dem Decknamen "Ramsay" zusammen mit seinen Informanten enttarnt. Angebote Japans, ihn an die Sowjetunion auszuliefern, schlägt diese aus. Am Jahrestag der russischen Revolution, 1944, wird Richard Sorge in Tokio hingerichtet. Ironie des Schicksals: Erst in den 1960ern erklärt ihn die Sowjetunion zum Nationalhelden, in der DDR werden zahlreiche Schulen und Straßen nach ihm benannt.

Text: Thomas von Steinaecker

Fotos: Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung aus dem besprochenen Band; Isabel Kreitz/Carlsen Verlag, Hamburg 2008.

Die Sache mit Sorge, Isabel Kreitz/Carlsen Verlag, Hamburg 2008

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Die Biografie dieser schillernden Figur ist der Stoff, aus dem die Träume eines jeden Autors sind. An Romanen und Verfilmungen hat es denn auch nicht gemangelt, von russischen und japanischen Krimis bis hin zu Veit Harlans dubiosem Streifen "Verrat an Deutschland" von 1954, der in Westdeutschland wegen kommunistischer Propaganda verboten wurde. Die 40-jährige Isabel Kreitz, die hierzulande zu den wichtigsten Comicautorinnen zählt und vor allem durch ihre wunderbaren Adaptionen von Werken Uwe Timms und Erich Kästners von sich Reden gemacht hat, konzentriert sich bei ihrer Bearbeitung des Stoffes als grafische Erzählung ganz auf das Schicksalsjahr 1941.

Dabei hat sie sich für die Form der Doku-Fiction entschieden: In rückblickenden Interviewpassagen, nach deren Quellenangaben man im Buch allerdings vergeblich sucht, leiten ehemalige Weggefährten Sorges Episoden aus dessen damaligen Leben ein. Zur zweiten Hauptfigur wird dabei die bekannte Cembalistin Eta Harich-Schneider, die das Angebot, im Umfeld der Botschaft einige Konzerte zu geben, dankbar angenommen hat, da sie zu Hause in Konflikt mit dem Regime geraten war.

Im bedrückenden Klima aus Dekadenz und Paranoia in der überschaubaren deutschen Gemeinde Tokios ist Harich-Schneider fasziniert vom rauen Charme des Lebemanns Sorge, der sie "Kerlchen" nennt und schon bald ins Vertrauen zieht über seine eigentliche Gesinnung. Doch es bleibt bei einer kurzen Affäre. Nachdem er den Sowjets die kriegsentscheidenden Informationen übermittelt hat, wird der alkoholabhängige Agent immer unberechenbarer. Öffentlich schimpft er auf die Nazis und trifft sich allen Warnungen zum Trotz zu Hause mit seinen japanischen Kontaktmännern, die deshalb nach und nach auffliegen. Die Verhaftung Sorges lässt nicht lange auf sich warten.

Die Sache mit Sorge, Isabel Kreitz/Carlsen Verlag, Hamburg 2008

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Es ist bezeichnend, dass an dieser Stelle im Buch die eigentliche Handlung abbricht und ein von dem Journalisten Frank Giese verfasstes Nachwort folgt, das den Leser über die Biografie des Titelhelden aufklärt - die vorangegangene grafische Erzählung macht anschaulich, wie der rätselhafte Sorge, der in seiner Mischung aus Eleganz und Verkommenheit entfernt an Humphrey Bogart erinnert, die schönsten Frauen und wichtigsten Diplomaten gleichermaßen für sich gewinnen und so jahrelang erfolgreich ein Doppelleben führen konnte; über seine Motivation, alles für den Kommunismus zu riskieren, erfährt der Leser jedoch kaum etwas.

Die eigentliche Stärke des Buches liegt denn auch in der brillanten Beschreibung der deutschen Gemeinde in Tokio. Sehr eindrucksvoll fängt Isabel Kreitz die vom japanischen Alltag völlig isolierte Atmosphäre in der nur scheinbar idyllischen Botschaft mit ihren glamourösen Empfängen ein.

Die Sache mit Sorge, Isabel Kreitz/Carlsen Verlag, Hamburg 2008

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Manche der perspektivischen Sprünge, mit welchen Isabel Kreitz die "Sache Sorge" verfolgt, wirken jedoch recht willkürlich: Auf die Interviewpassagen folgt die stets sehr konventionell erzählte Geschichte des Spions und der Cembalistin, von der dann immer wieder Szenen um die Mitglieder des Informantennetzes Sorges abzweigen. Ohne ein rechtes Ende zu finden, münden die Handlungsstränge schließlich in einer Abfolge von Epilogen. Eine japanische Sicht der Ereignisse wird dabei nur angerissen, während Sorges einheimische Geliebte in dieser Zeit, Ishii Hanako, zugunsten der historischen Nebenfigur Harich-Schneider auf einen Kurzauftritt reduziert wird.

So bleibt etwas unklar, worauf der eigentliche Fokus der grafischen Erzählung liegt: Einerseits sollen in einer Mischung aus Dokumentation und Versatzstücken des Agententhrillers wie auch der Romanze die letzten Monate des Spions einem heutigen Publikum nahe gebracht werden; andererseits wird in einer der Schlusspassagen die bis dahin vorbehaltlose Bebilderung der historischen Ereignisse in einer Montage der sich widersprechenden Meinungen der Zeitzeugen so unvermittelt und knapp in Frage gestellt, dass diesem späten Hinweis auf den Konstruktionscharakter jeder Geschichtsschreibung etwas Halbherziges anhaftet.

Die Sache mit Sorge, Isabel Kreitz/Carlsen Verlag, Hamburg 2008

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Ähnlich verhält es sich mit den Bleistiftzeichnungen Kreitz': Auf den ersten Blick bestechen sie durch ihren Realismus und die Schärfe ihres Kontrastes; besonders die beiläufige Genauigkeit der reinen Bildfolgen machen die Fremdheit der japanische Umgebung und die verlogene Höflichkeit der Diplomaten spürbar. Aneinandergereiht ergeben die Panels jedoch nicht viel mehr als das Storyboard zu einem Film, der unentschlossen zwischen Infotainment, Agentenstory und Frauenschicksal hin und her pendelt.

ISABEL KREITZ: Die Sache mit Sorge. Stalins Spion in Tokio. Carlsen Verlag, Hamburg 2008. 256 Seiten, 19,90 Euro.

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