Süddeutsche Zeitung

Bilderbuch:Wundermittel

Ein tolles Bilderbuch um das Ei in der Biologie und im Volksbrauch, das für Große und Kleine nicht nur sachliches Wissen sondern Geschichten aus der ganzen Welt erzählt.

Von Katrin Blawat

Am Anfang war das Ei. Nicht die Henne? Nein, sicher nicht - zumindest dann, wenn es um die Entstehung der Erde geht und wenn man diese mithilfe alter Erzählungen erklären will. In China, in Indien, Peru und Indonesien haben sich die Menschen einst das Ei als Ursprung der heutigen Welt vorgestellt. Auch die alten Römer stellten Eier an den Beginn: Ein großes Ei gebar die Erde, dessen Schale den Himmel und das Leben auf dem Planeten kam aus vielen kleinen Eiern, so die Vorstellung.

Wer die Arbeit der Illustratorin Asia Gwis und der Autorin Eliza Piotrowska kennt - etwa dank ihres Pilz-Buches -, der dürfte kaum überrascht sein über diesen eher ungewöhnlichen Zugang zum Thema Ei. "Kurioses von Kolibri bis Kolumbus" verspricht der Titel der Autorinnen. Um dies einzulösen, finden sich in dem wunderbar gestalteten Buch zum Beispiel auch Doppelseiten zum Ei als (vermeintlichem) Wundermittel. Bauern hofften mittels auf den Feldern aufgeschlagenen Eiern auf eine besonders reichhaltige Ernte. Tatsächlich empfehlen auch heute noch einige Ratgeber, zerdrückte Eierschalen in Pflanzlöcher zu streuen, ehe die Blumen hineinkommen, damit sie hoffentlich besser sprießen. Manche Künstler hatten ebenfalls eine besondere Beziehung zu Eiern. Salvador Dalí zum Beispiel hielt Eier und Brot für die wichtigsten Elemente des Lebens und schmückte sogar das Dach eines Museums mit Eier-Skulpturen.

Den größten Teil des Buches nimmt die Tierwelt ein. Dabei lässt sich auch im gut Bekannten Verblüffendes entdecken. Die wenigsten Menschen wissen, dass Spatzen je nach Reihenfolge verschieden große Eier legen: klein sind Nummer eins und vier, die beiden mittleren werden viel größer. Das letzte Ei eines Geleges hat noch weitere Besonderheiten: Es ist heller - und damit für Fressfeinde auffälliger als die übrigen - und meist unbefruchtet. Das Spatzenweibchen jubelt Angreifern also "Ausschussware" unter, schreibt Piotrowska. Abgesehen von Vögeln bietet die Natur genug Beispiele, um das Buch zu einer Schatzkammer für Eier-Wissen zu machen. Die Krake, die zum Beispiel bis zu einer halben Million Eier auf einmal legen kann. Und ja, sogar zwei Säugetiere schlüpfen aus Eiern: Schnabeltier und Ameisenigel.

Empfohlen wird das Buch für Kinder von acht Jahren an. Doch selbst wer noch nicht lesen kann und mit den Besonderheiten des Tierreichs bisher kaum vertraut ist, wird Freude haben an den Eier-Kuriositäten. Denn die sind so kunstvoll und abwechslungsreich illustriert, dass sie auch als reines Bilderbuch funktionieren. Mit einem Ei kann eben jeder etwas anfangen.

Eliza Piotrowska, Asia Gwis: Eier. Eine runde Sache. Kurioses von Kolibri bis Kolumbus. Aus dem Polnischen von Thomas Weiler. Knesebeck Verlag, München 2020. 96 Seiten, 24 Euro.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2020
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