Süddeutsche Zeitung

Bilderbuch:Jagd nach den Schmetterlingen

Ein kleiner Fuchs erlebt die Welt jenseits des elterlichen Baus - und wird vom Jungen auf dem Fahrrad gerettet.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Der bekannte niederländische Autor Edward van de Vendel lässt seiner Illustratorin Marije Tolman auf fünf Doppelseiten den Vortritt, bevor er mit seiner Erzählung vom kleinen Fuchs beginnt. Mit neonoranger Leuchtfarbe setzt die Künstlerin ihren kleinen Helden in ihre Bilder, deren Hintergrund Fotos von Meer, Strand, Wald und Dünenlandschaft sind, die sie mit gemalten bunten Vögeln oder Waldtieren wie Dachs, Hase und Rehen bevölkert. Und mittendrin der leuchtende kleine Fuchs, der die Welt jenseits des Fuchsbaus mit seinen Geschwistern und Fuchs-Eltern erkunden will. Das Drama beginnt mit dem Satz: "Der kleine Fuchs rennt zwei Schmetter-lingen hinterher, denn die sind lila."

Was als Spiel begonnen hatte, endet mit einem tiefen Sturz, und der kleine Fuchs bleibt ohne Bewusstsein liegen. Und dann, "dann beginnt sein Traum." Der handelt von seinem bisherigen Leben, als er noch "klein wie ein Äpfelchen" war, von seinen ersten Erfahrungen mit den Tieren des Waldes, und der Begegnung mit dem Reh, zusammen am Wasser.

Bei dieser Traumebene, eine Art Nahtoderfahrung, verzichtet die Künstlerin auf Fotos und zeichnet vor beigem Hintergrund und mit frei gestellten Figuren die fröhliche Welt des kleinen Fuchses und seiner Familie. Dort begegnet er auch einem kleinen Jungen, der mit seinem Fahrrad in den Dünen unterwegs ist. Er macht ein Foto vom ihm, und hilft ihm, als sein Kopf in einem Glas feststeckt.

Noch einmal erlebt er im Traum seinen Sturz. Auf den nächsten fünf Doppelseiten mit übermalten Fotos ist der Junge die Hauptperson. Er findet den kleinen Fuchs und trägt ihn, begleitet von den trauernden Tieren, aus den Dünen, zurück zu seiner leuchtend orangenen Fuchsfamilie. "Und so öffnet der kleine Fuchs die Augen. Denn alles ist gut." Und auf dem letzten Bild fährt der Junge auf seinem Fahrrad durch den Wald zurück in seine eigene Welt.

Selten findet man ein Bilderbuch, in dem für den Betrachter sichtbar wird, dass Autor und Illustratorin eng zusammengearbeitet haben und das Ergebnis auf verschiedenen Ebenen künstlerisch gelungen ist. Kinder werden die Geschichte als Abenteuer erleben und sich mit dem kleinen Jungen als Retter identifizieren. Für Erwachsene kann die Ebene des Traums und der Nahtoderfahrung Anlass für Gespräche bieten, und alle, die das Bilderbuch als Kunstwerk sehen, werden den ungewöhnlichen, dem Verlauf der Geschichte angepassten Wechsel der Illustrationsmöglichkeiten und Techniken bewundern und das Buch zu ihren Lieblingsbilderbüchern zählen. (ab 4 Jahre).

Edward van de Vendel: Der kleine Fuchs. Illustrationen von Marije Tolman. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2020. 80 Seiten. 14 Euro.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2020
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