Süddeutsche Zeitung

Bilderbuch:Familienwahnsinn im Geißenhaus

Lesezeit: 2 Min.

Sebastian Meschenmoser funktioniert ein bekanntes Märchen um  und führt vor, wie produktiv - sogar lebensrettend - das Chaos sein kann.

Von Roswitha Budeus-Budde

Der Wolf ist siegessicher. Sieht er der Geißenmutter nicht zum Verwechseln ähnlich, mit Lippenstift, High Heels und Handtasche? Ha!, sein Plan ist perfekt. Die Geißlein werden ihm die Tür öffnen, er "würde ins Haus stürzen, ein wenig knurren, die Zähne fletschen und dann eines nach dem anderen schnappen und auffressen."

Wenn da nur nicht der Ball direkt im Eingang gelegen hätte, der ihn mit "Haaaarrrghnnpff" in ein Haus katapultiert, in dessen unglaublichem Chaos die Geißlein wunderbare Verstecke finden. Sebastian Meschenmoser, der mit seinen Bilderbüchern, zum Beispiel mit "Gordon und Tapir" und der "Eichhorn" -Serie Erfolge feiert, nimmt sich, nach "Rotkäppchen hat keine Lust", wieder ein Grimms-Märchen als Vorlage, um daraus eine eigene Geschichte zu spinnen. Doch während aus dem Rotkäppchen ein wütendes kleines Mädchen wird, dessen Erlebnisse eher den Größeren Spaß machen, bereitet das neue Bilderbuch "Die verflixten sieben Geißlein" auch schon Kleineren großes Vergnügen. Denn hier hat sich der Illustrator mit großer Lust am Chaos ausgetobt. Doppelseiten, in denen der Familienwahnsinn zu beobachten ist, wechseln mit bewegten, dramatischen Einzelszenen, in denen der Wolf, um die Geißlein zu finden, anfängt, das Haus aufzuräumen. Doch Unordnung kann eben auch lebensrettend sein, die wilde Bande findet tolle Verstecke in dem Kram, sie ärgert den Wolf und fürchtet sich keinen Augenblick - ein Geißlein scheint ihn richtig zu mögen, so hängt es an ihm. Das Ganze artet aus zu einem großes Suchspiel, an dem die Betrachter genauso beteiligt sind wie der Wolf.

Die Bilder leben von der Dynamik, dem Tempo und Witz, mit denen Meschenmoser in seinen Aquarellen die ungewöhnlichsten Perspektivwechsel erzeugt. Besonders großes Entzücken wird der Anblick des Kinderzimmers auslösen, der Fußboden ist vor lauter Spielzeug kaum zu erkennen. Auch die Standpauke, die der Wolf am Schluss den Geißlein hält, als er glaubt, endlich am Ziel zu sein, ist nur noch komisch: "Wie konnte man nur so unordentlich sein! Ob sie sich nicht schämten, wenn jemand vorbeikommt, um sie zu fressen und so einen Saustall vorfinden muss."

Da ahnt der Unglückliche noch nicht, welches Schicksal ihm Sebastian Meschenmoser mit Hilfe der Geißenmutter zugedacht hat. Nur so viel sei verraten, für ihn beginnt eine Karriere, die er sich in seinen finstersten Albträumen nicht hätte vorstellen können, als Mahnung an die Erwachsenen und zur Freunde der Kinder, dass Aufräumen ungeahnte, schreckliche Folgen haben kann. (ab 4 Jahre)

Sebastian Meschenmose r: Die verflixten sieben Geißlein. Thienemann Verlag, Stuttgart 2017. 24 Seiten, 12,99 Euro.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2017
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