Süddeutsche Zeitung

Bilderbuch:Das Meer kommt nicht in den Koffer

Lesezeit: 2 min

Eine Geschichte von Abschied und Neubeginn, den ein Mädchen erlebt.

Von Regina Riepe

Welche Dinge sind wirklich wichtig im Leben? Keine philosophische Frage für das Mädchen, von dem dieses Bilderbuch erzählt, sondern ein ganz konkretes Problem. Ein großer Umzug steht an, und es darf nur einen kleinen Koffer füllen. Mit seinen liebsten Dingen.

Die freundlichen, zarten Zeichnungen des Buches führen uns in die Wohnung der kleinen Ich-Erzählerin, in ihre Stadt. Es ist gemütlich hier, es gibt Blumen, selbstgemalte Bilder an den Wänden, Spielzeug, ein Aquarium mit Goldfischen. Doch kaum etwas davon passt in den kleinen, roten Koffer, jedenfalls nicht das, was ihr wirklich wichtig ist. Weder der Birnbaum im Hof, der so alt ist wie sie, noch die beste Freundin, die so gut zuhören kann, nicht der Busfahrer, der immer mit den Kindern singt, und ihr Aquarium auch nicht. All das kann man nicht einpacken. Und das Meer, das sie so liebt, sowieso nicht.

Dass keine todtraurige Geschichte daraus wird, liegt an den achtsamen, heiteren Zeichnungen von Julie Völk. Sie zeigt uns die Welt des Mädchens, sein Haus, seine Stadt, alles fein beobachtet. Einige Häuser lassen an eine arabische Stadt denken. Doch das Bilderbuch erzählt keine Fluchtgeschichte. Jedes Kind, das einmal umgezogen ist, weiß, dass man die wirklich wichtigen Dinge nicht einpacken kann. Selbst wenn man einige Umzugskisten zur Verfügung hat und nicht nur einen kleinen, roten Koffer. Doch das Mädchen findet eine fantasievolle Lösung. Am Meer kommt ihm eine Idee, denn das Meer gibt es ja überall, man muss es nicht mitnehmen. Und so sehen wir seine liebsten Dinge als Flaschenpost auf dem Weg in sein neues Zuhause schwimmen. In dem heiteren Schlussbild des Buchs ist die kleine Ich-Erzählerin mit dem Fahrrad ans Meer gefahren, an ihrem neuen Wohnort. Ein Bild, mit dem man die Geschichte zusammen mit Kindern beim Anschauen des Bilderbuches weiterspinnen kann. Ein Junge lässt einen Drachen am Strand steigen - ob er ein guter Freund wird? Und vielleicht ist die alte Frau dort mit dem Hund nett. Der Birnbaum im Hof lässt sich zwar nicht durch einen Apfelbaum ersetzen und den Busfahrer, mit dem sie zu Hause gesungen hat, gibt es nur einmal. Doch hier steht eine Eisbude am Strand und das Mädchen hat ein neues, rotes Fahrrad bekommen. Und wer weiß, vielleicht kommen die Dinge, die man am liebsten hat, irgendwie doch mit. "Ganz im Geheimen", wie Fünfjährige oft sagen. Eine ermutigende Geschichte von Abschied und Neubeginn, die ganz auf die innere Kraft der Kinder vertraut und einen positiven Blick in die Zukunft ermöglicht. (ab 5 Jahre)

Sepideh Sarihi: Meine liebsten Dinge müssen mit. Mit Illustrationen von Julie Völk. Beltz & Gelberg, Weinheim 2018. 30 Seiten, 12,95 Euro.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2018
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