Bildband über Tiere:Das tote Blatt

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Florence Guiraud: Wie siehst du denn aus? Kurioses aus der Tierwelt. Aus dem Französischen von Susanne Schmidt-Wussow. Knesebeck- Verlag, München 2018. 96 Seiten, 24 Euro. (Foto: Verlag)

Im Kabinett der Naturpoesie finden sich die seltsamsten Farben und Formen. Sie zeigen den Kuriositäten-Reichtum der Tierwelt. Zum Beispiel das geheimnisvolle Gesicht der Maskeneule oder den Kopfschmuck vieler Hühnerrassen.

Von Katrin Blawat

Für viele Biologiestudenten ist es eher Pflicht als Kür: einen Teil des Stoffes nicht nur lernen, sondern auch zeichnen zu müssen. Ein Pantoffeltierchen unter dem Mikroskop, ein Laufkäfer von oben oder das Bein einer Mücke können den, der sich schwertut mit dem Zeichenstift, in Verzweiflung treiben. Schon klar, das Zeichnen lehrt, genau hinzuschauen, Strukturen im Detail wahrzunehmen und ihre Zusammenhänge zu verstehen. Trotzdem sollte man es, so kam es einem im Studium immer wieder in den Sinn, besser jenen Menschen überlassen, die ein Händchen dafür und Spaß daran haben.

Menschen wie Florence Guiraud. Kein Zweifel, ihre Illustrationen sind nicht aus einem Pflichtprogramm heraus entstanden, sondern mit viel Professionalität und aus reiner Freude - am Zeichnen wie am Kuriositätenreichtum der Natur. Guiraud zeigt und beschreibt, was sie selbst fasziniert in der Welt der Vögel, Insekten, Fische, Krebse und an vielen anderen Tieren. Ihr "Kabinett der Naturpoesie", wie sie es im Vorwort nennt, lädt eher ein zum neugierigen Blättern als zum zielgerichteten Nachschlagen. Wer sich darauf einlässt, entdeckt den bizarr ausufernden Kopfschmuck vieler Haushuhnrassen, das geheimnisvolle Gesicht der Maskeneule, die filigrane Komplexität eines Insekts namens "Totes Blatt", und er versteht, wie der Federantennen-Käfer zu seinem Namen gekommen ist. Manche Illustrationen sind farbenprächtig, andere monochromatisch, einige seitenfüllend, andere nur wenige Zentimeter groß - alles findet den Platz, den es für die bestmögliche Wirkung braucht. Unverhohlen ist die Auswahl der gezeigten Tiere sehr subjektiv. Doch das ändert nichts an dem Eindruck, eine Enzyklopädie im Stil lang vergangener Zeiten in den Händen zu halten. Guirauds Illustrationen sind so detailliert, dass ihr Buch auch einem Studenten helfen könnte, der etwa einen Libellenflügel zeichnen soll.

Ebenso wie die Abbildungen vermitteln die kurzen Texte den Eindruck, dass da jemand ebenso fasziniert wie ehrfürchtig all den sonderbaren Gestalten der Tierwelt begegnet. Das Buch feiert das Bizarre, etwa den Sonnenblumenseestern, der mit fünf Armen geboren wird und schließlich 24 Extremitäten besitzt. Darüber hinaus ist er besonders schnell für ein Tier seiner Art: Er bewegt sich etwa mit der gleichen Geschwindigkeit wie ein gehendes Kind. In einer anderen Rekord-Klasse spielt der Goliathkäfer: Mit seinem mehr als zehn Zentimeter langen Körper gehört er zu den größten Insekten überhaupt. Wie gut, dass sich seiner und aller anderen tierischen Protagonisten eine Illustratorin angenommen hat, die ebenso gut staunen wie darstellen kann. (ab 8 Jahre)

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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