Bildband: Hanna Schygulla:Die Hauptrollen der Vorstadt-Marilyn

Ein vorzüglicher Bildband feiert Hanna Schygulla. Als "Motor" von Fassbinders Filmen, als Mysterium abgehobener Schauspielkunst und als seidenweiche Projektionsfläche.

C.D.

Eines Tages, gegen Ende der Sechzigerjahre, durchfuhr es den Schauspielschüler Rainer Werner Fassbinder, der mit seinen Mitschülern, gerade angelascht, in einer Münchner Kneipe saß, wie ein Blitz: Plötzlich, "von einer Sekunde auf die andere", wusste er "glasklar", dass Hanna Schygulla, das schweigsamste, aber seiner Meinung nach talentierteste Mädchen aus der Runde, einmal der Star seiner Filme werden würde, "vielleicht gar so etwas wie ein Motor".

Bildband: Hanna Schygulla: Schygullas Gesicht, so Elfriede Jelinek einmal, sei "ein Seidentuch, das jemand in die Luft geworfen hat, und während es in der Schwebe hängt, werden Bilder darauf projiziert". Film-Still aus "Die Ehe der Maria Braun"

Schygullas Gesicht, so Elfriede Jelinek einmal, sei "ein Seidentuch, das jemand in die Luft geworfen hat, und während es in der Schwebe hängt, werden Bilder darauf projiziert". Film-Still aus "Die Ehe der Maria Braun"

(Foto: Foto: dpa)

Erzählt hat er dem Mädchen allerdings nichts davon, er war ja selber noch ein kleines Licht. Eines, das aber bald schon hell aufstrahlen sollte. Und siehe: Die Vision wurde wahr.

20 Kino- und Fernsehfilme hat "RWF" mit Hanna Schygulla gedreht, von "Liebe ist kälter als der Tod" (1969) über "Die Ehe der Maria Braun" (1978) bis hin zu "Lili Marlen" (1981).

In einem Text vom August 1981 schrieb der berühmt-berüchtigte Regisseur auf, wie das alles begann mit ihm und der Schygulla: Wie sie die Schauspielschule abbrachen, sich aus den Augen verloren und er sie dann - als Ersatz für eine erkrankte Darstellerin am damaligen Action-Theater in München - suchte und für die Bühne gewann.

Dass Schygulla immer nur auf Hauptrollen erpicht und im späteren "antitheater" wenig gruppenkompatibel war, auch davon schreibt Fassbinder. Und dass er sie, ällabätsch, als Regisseur stets ausgetrickst habe, um ihr das Gefühl zu geben, sie könne sich in ihrem Spiel zu hundert Prozent selbst verwirklichen.

Der lesenswerte Text mit den feinen Spitzen findet sich neben weitaus ergebeneren Beiträgen in dem liebevollen, von Lothar Schirmer herausgegebenen Band "Du... Augen wie Sterne", der in Wort und Bild sechzig Jahre Hanna Schygulla feiert (Schirmer/Mosel, München 2004. 216Seiten, 212 Abb., 29,80 Euro).

Es ist ein Familienalbum geworden. Keine Biografie - eine Hommage. Weggefährten und Freunde würdigen das "Mysterium der Hanna Schygulla" (Günter Rohrbach) oder, wie der New Yorker MoMA-Chef Laurence Kardish es nennt, den "Schygulla-Faktor".

Volker Schlöndorff rühmt das "Abgehobene", das diese Schauspielerin ausstrahlt. Elfriede Jelinek macht sich Gedanken über Schygullas Gesicht - es erinnert sie an "ein Seidentuch, das jemand in die Luft geworfen hat, und während es in der Schwebe hängt, werden Bilder darauf projiziert".

Auch Schygulla selbst hat viele Texte beigesteuert. Aber es sind vor allem die Fotos und Film-Stills, die dieses Album so reizvoll machen, Bilder einer schönen, von einem Geheimnis umflorten Frau. Unsere Abbildung zeigt sie auf einem Porträt von Michael Friedel aus dem Jahr 1970, als Schygulla noch die deutsche "Vorstadt-Marilyn" war.

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