Süddeutsche Zeitung

Bild von Muslimen in Deutschland:"Eine Karikatur statt der Wirklichkeit"

Ayse-Gül Yilmaz ist Protagonistin einer Fotoserie, die mit dem "Zenith"-Fotopreis ausgezeichnet wird. Im Interview spricht sie über ihre Lieblingsorte, ihr Kopftuch - und das Bild deutscher Muslime in den Medien.

Von Roland Preuß

Das Bild von Muslimen ist Deutschland ist nicht das beste, Lesern werden in der Presse gerne finstere Islamisten und streng verschleierte Frauen dargeboten, passend zu den Meldungen über Terroristen und Parallelgesellschaften. In Berlin wurde am Mittwochabend versucht, den Blick auf ein anderes muslimisches Leben zu lenken, auf den reibungslosen und dennoch bemerkenswerten Alltag von und mit Muslimen. Die Nahost-Zeitschrift Zenith vergab zusammen mit der Vodafone- und der Stiftung Mercator den Preis im Fotowettbewerb "Muslime in Deutschland". Gewinnerin in der Kategorie "Profi" wurde Jana Ritchie, 22, aus Berlin, die eine Serie über die 32-jährige Deutsch-Türkin Ayse-Gül Yilmaz aus Berlin-Kreuzberg eingereicht hatte. Mit ihr sprach die SZ.

SZ: Sie sind mit Kopftuch im Café zu sehen, in einer Berliner Bar, in der Moschee - was bedeuten die Orte für Sie?

Ayse-Gül Yilmaz: Die Fotos zeigen meine Lieblingsorte, meinen Alltag. Ich brauche zwar keine Moschee zum Beten, aber dort bewege ich mich.

Welche Rolle spielt dabei das Kopftuch - welche Reaktionen fangen Sie sich damit ein?

Das kommt auf den Bezirk an, in dem ich mich bewege. In Berlin-Hellersdorf fällt das Tuch mehr auf als in Kreuzberg-Neukölln, wo ich wohne. Bei der Jobsuche habe ich durchaus gemerkt, dass das Kopftuch ein Problem ist. Ich habe mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet und da fürchten einige Arbeitgeber offenbar, dass ich die Kinder indoktrinieren könnte. Auf der Straße merke ich das weniger. Es kommt sehr darauf an, was man außer dem Kopftuch an hat: ich trage ja keine Burka, sondern Jeans und Pullover dazu.

Wie empfinden Sie die Bilder von Muslimen, die in deutschen Zeitungen und Magazinen verwendet werden?

Das ist manchmal eine Karikatur statt der Wirklichkeit. Es ist mitunter sehr bemüht angepasst an die Geschichte, die da erzählt wird, ein Klischee von Muslimen.

Die Kopftuchfrau von hinten, mit langem Gewand und Aldi-Tüte in der Hand?

Ja, sowas meine ich. Es gibt viele Muslime, die kein Kopftuch tragen. Man sollte sie mehr wahrnehmen. Viele von ihnen leben trotzdem aktiv ihren Glauben.

Was bedeutet das Kopftuch für Sie?

Es zeigt die Verbundenheit mit meiner Familie. Wir leben unseren Glauben. Ich trage das Kopftuch bereits seit 21 Jahren, es ist Teil meiner Persönlichkeit.

Wie kann ein Tuch Teil der Persönlichkeit werden?

Meine Religion ebnet mir meinen Weg und hilft mir bei Entscheidungen und jene Entscheidungen bilden meinen Charakter und somit meine Persönlichkeit. Es diszipliniert mich.

Wünschen Sie sich andere Bilder von Muslimen in Deutschland?

Ja, zum Beispiel eine Ärztin, die Kopftuch trägt. Medien sollten zeigen, dass qualifizierte Berufe und Kopftuch kein Widerspruch sind.

Deshalb waren Sie bereit, als muslimisches Model zu agieren?

Jana, die Fotografin, und ich sind seit langem befreundet, das war wichtig. Wir möchten mit dem Projekt aber auch etwas ändern, den wirklichen Alltag vieler Muslime in Deutschland zeigen, ohne Vorurteile.

Hat es trotz Kopftuch mit Ihrer Jobsuche geklappt?

Ja, ich arbeite in einer Praxis, in der frühere Drogenabhängige behandelt werden. Der Träger hatte kein Problem mit meinem Kopftuch, es war zwar ein Thema beim Vorstellungsgespräch. Aber er hat verstanden: Für mich ist das Privatsache. Sie haben mich sofort eingestellt. Ich würde ungern mit einem Arbeitgeber zusammenarbeiten, der Vorurteile hat.

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