Selenskij bei Venedig Biennale:Kuratiert im Luftschutzkeller

Selenskij bei Venedig Biennale: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat eine kurze Videobotschaft für die Biennale in Venedig geschickt.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat eine kurze Videobotschaft für die Biennale in Venedig geschickt.

(Foto: Valentina Rostovikova)

Wolodimir Selenskij sendet eine Videobotschaft zur Vernissage der Weltkunstschau der Biennale in Venedig. Die Ausstellung dazu ist allerdings nicht der offizielle Beitrag der Ukraine.

Von Kito Nedo

Selten dürfte eine Begleitveranstaltung der Venedig Biennale, ein sogenannter "Collateral Event", so eine wichtige Ergänzung zum Hauptprogramm dargestellt haben wie "This is Ukraine: Defending Freedom". Denn ohne die Schau mit Kunst aus der Ukraine sowie einigen Werken internationaler Künstler hätte im Programm der 59. Biennale eine Lücke geklafft. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar bestimmt die russische Invasion schließlich die politische und mediale Agenda. Als "schwieriges Projekt in einer schwierigen Zeit" beschreibt der belgische Kurator Björn Geldhof denn auch die Ad-hoc-Schau, die eine ganze Reihe von Arbeiten aus der jüngeren ukrainischen Kunstszene zeigt, unter anderem von der 1980 geborenen Autorin und Fotografin Yevgenia Belorusets, der gleichaltrigen Malerin Lesja Chomenko und dem 1982 geborenen Künstler und Autor Nikita Kadan.

"Wir haben die Ausstellung in weniger als vier Wochen konzipiert, vorbereitet und installiert."

In Venedig soll die Präsentation sowohl den russischen Einmarsch in die Ukraine thematisieren als auch für Solidarität mit dem angegriffenen Land werben. "Wir haben die Ausstellung in weniger als vier Wochen konzipiert, vorbereitet und installiert", sagte Geldhof, der seit 2015 Künstlerischer Leiter des Pinchuk Art Centre in Kiew ist. Sein Team hätte teilweise aus Kiewer Luftschutzkellern heraus an dieser Schau gearbeitet, erzählte der Kurator auf einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag vor der Vernissage in der Scuola Grande della Misericordia, einem historischen Prachtbau aus dem frühen 14. Jahrhundert in Cannaregio. Ursprünglich war hier die Präsentation des sogenannten "Future Generation Art Prize" geplant gewesen, der nun durch das aktuelle Projekt ersetzt wurde.

Das 2006 gegründete Pinchuk Art Centre gilt als das erste ukrainische Museum für zeitgenössische Kunst und gehört über eine Stiftung dem ukrainischen Oligarchen Wiktor Pintschuk. Am Donnerstagabend moderierte der Unternehmer und Mäzen persönlich die Eröffnung mit mehreren Gästen, darunter der 96-jährigen Überlebenden des Holocaust Anastasia Gulej, die wegen des Kriegs nun nach Deutschland fliehen musste, sowie Luigi Brugnaro, dem Bürgermeister von Venedig. Den dramaturgischen Höhepunkt der Eröffnungszeremonie bildete eine vorab aufgezeichnete und mit englischen Untertiteln versehene Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij.

In seiner kurzen Rede betonte Selenskij die Einzigartigkeit und Wichtigkeit von Kunst als Medium für den Diskurs über den russischen Angriffskrieg und die ukrainische Verteidigung. "Es gibt keine Tyrannei, die nicht versuchen würde, die Kunst einzuschränken. Weil sie die Macht der Kunst erkennen können. Kunst kann der Welt Dinge mitteilen, die sonst nicht mitgeteilt werden können. Es ist die Kunst, die Gefühle vermittelt." Selenskij, der in olivgrüner Militärmontur vor einem Screen mit ukrainischen Farben sprach, dankte den Organisatorinnen der Ausstellung und allen Beteiligten und warb um die Solidarität aus der internationalen Kunstwelt. "Ich bin sicher, dass die Ausstellung die Menschen spüren lassen wird, was es für die Ukraine bedeutet, die Freiheit zu verteidigen. Sie werden die Verbundenheit zwischen allen freien Menschen auf dem Planeten Erde und der Ukraine spüren. Sie werden spüren, dass jeder Einzelne von Ihnen den Kampf für die Freiheit unterstützen kann - ein und dieselbe Freiheit für alle. Unterstützen Sie uns mit Ihrer Kunst, aber unterstützen Sie uns auch mit Ihren Worten und Ihrem Einfluss." Nach dem Einspieler erhob sich ein anhaltender Applaus im Saal.

Neben dem offiziellen, etwas versteckten platzierten ukrainischen Biennale-Beitrag auf dem Arsenale-Gelände, wo eine Installation von Pawlo Makow zu sehen ist, und der kurzfristig in den Giardini eingerichteten "Piazza Ucraina", einer Struktur aus verkohltem Holz und aufgeschichteten Sandsäcken, die neben einer quietschbunten Werbeskulptur einer Schweizer Uhrenfirma freilich etwas deplaztiert wirken, gibt "This is Ukraine" dem Kriegsthema in Venedig einen angemessenen Rahmen.

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