Süddeutsche Zeitung

Deutscher Pavillon auf der Biennale von Venedig:Mit dem Rücken zum Betrachter

Maria Eichhorn vertritt Deutschland auf der Biennale von Venedig im Jahr 2022. Das ist ein Coup: Kaum eine deutsche Künstlerin ist so einflussreich. Und so unbekannt.

Von Catrin Lorch

Maria Eichhorn wird auf der nächsten Kunst-Biennale in Venedig im Jahr 2022 den Deutschen Pavillon bespielen. "Ich finde es geradezu überraschend", so wird der zuständige Kurator Yilmaz Dziewior in der Pressemitteilung zitiert, "dass die Künstlerin dort nicht schon längst ausgestellt hat", schließlich beschäftige sie sich "immer wieder mit verschiedenen Themen der deutschen Geschichte".

Mit der Verpflichtung der im Jahr 1962 in Bamberg geborenen Maria Eichhorn ist Dziewior ein Coup gelungen: Kaum eine deutsche Künstlerin ist so einflussreich - und gleichzeitig in der Öffentlichkeit so unbekannt. Dabei wurden Werke von ihr schon dreimal auf der Biennale von Venedig präsentiert, sie war auch auf vielen anderen Biennalen vertreten und hat auf der Documenta 14 in Kassel und Athen Großprojekte realisiert.

In Deutschland war vor allem Maria Eichhorns Ausstellung "Restitutionspolitik" im Münchner Lenbachhaus im Jahr 2004 folgenreich. Dafür hatte sie 15 Gemälde und ein Aquarell aus der Sammlung des Museums ausgewählt und sie mit der Rückseite zum Betrachter aufgehängt - sodass die Namen jüdischer Vorbesitzer sichtbar wurden. Die Arbeit stand am Beginn einer sich verändernden Haltung der Institutionen zur Rückgabe von NS-Raubkunst. Auch Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig in Köln, hat mit Eichhorn schon gearbeitet - doch ließ sie die Säle und die Sammlung des Museums links liegen, um sich als Mitarbeiterin einstellen zu lassen: Der Vertrag zwischen der Stadt Köln und der Künstlerin musste als Exponat reichen.

Ihr Beitrag für Venedig soll "zugänglich" sein, sagt die Künstlerin

Auch wenn Maria Eichhorn ankündigt, ihr Beitrag für Venedig werde "zugänglich" sein und könne "sowohl gedanklich als auch vor Ort körperlich und in Bewegung erfahren werden", steht die Berufung in einer langen Reihe von Werken, die sich konzeptuell mit der Problematik einer nationalen Kunstschau auseinandersetzen, mit der NS-Architektur des Deutschen Pavillons in Venedig selbst und den Ritualen einer internationalen Kunstszene. Hans Haacke riss einst die Steinplatten des Fußbodens so auf, dass der Innenraum an Caspar David Friedrichs Gemälde "Das Eismeer" erinnerte. Isa Genzken wickelte das kontaminierte Gebäude komplett in die Folie, mit der in Italien Baustellen gesichert werden. Natascha Sadr Haghighian widmete den Pavillon zum "Ankerzentrum" um, und Tino Sehgal ließ dort Sänger immer wieder die Zeile "This is so contemporary" singen.

"In Bezug auf den Deutschen Pavillon in Venedig teile ich die Auffassung von Hans Haacke, dass der Pavillon historisch betrachtet als Mahnmal erhalten bleiben sollte", sagt Eichhorn im Gespräch auf der Website des Deutschen Pavillons. "Geschichte, die sich auch durch Architektur vermittelt, kann nicht einfach abgebaut und weggelogen werden, wie beim Palast der Republik in Berlin geschehen, an dessen Stelle eine Schloss-Attrappe errichtet wurde." Im Gespräch beschäftigen sich Künstlerin und Kurator aber auch mit den Auswirkungen der Kulturindustrie auf das "ökologische Desaster". Eichhorn weist darauf hin, dass "Klima-Aktivist*innen vom Venice Climate Camp in Kampagnen die Touristen auffordern, Venedig fernzubleiben".

Gut möglich also, dass sich der malerisch direkt am Wasser der Lagune liegende Pavillon den Kunsttouristen verschließen wird: Als Eichhorn im Jahr 2016 in die Londoner Chisenhale Gallery geladen war, gab sie den Mitarbeitern für die Dauer der Ausstellung frei - und hängte das Schildchen, das sonst im Saal neben dem Werk hängt, außen an die verschlossenen Gitter.

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