Süddeutsche Zeitung

BGH zu Verbreiterhaftung:Harte Fakten für Markwort

Focus-Chef Markwort kommt mit Klage wegen eines Willemsen-Interviews nicht durch. Die Pressefreiheit zählt mehr, als ihm diesmal lieb ist.

H. Kerscher

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Haftung von Journalisten und Verlagen für den Inhalt von Interviews beschränkt. Das höchste deutsche Zivilgericht wies eine Unterlassungsklage des Focus-Chefredakteurs Helmut Markwort gegen die Saarbrücker Zeitung wegen eines Interviews mit dem Autor Roger Willemsen ab.

Eine von Markwort beanstandete Passage über ein Focus-Interview mit dem Schriftsteller Ernst Jünger, das angeblich zwei Jahre vorher in der Bunten erschienen war, wertete der BGH als "Meinungsäußerung mit einem wahren Tatsachenkern". Diese berühre Markworts Persönlichkeitsrecht, das aber hinter dem Recht der Zeitung auf Presse- und Meinungsfreiheit zurückzutreten müsse.

Auch das Interesse von Willemsen an der Wahrheit und Seriosität der Medienarbeit überwiege. Die beiden Vorinstanzen, das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg, hatten jeweils Markwort recht gegeben. (Az: VI ZR 226/08).

Der in der Branche heftig diskutierte Rechtsstreit ("Das Ende des Interviews?") geht auf ein Interview von Willemsen mit einem Journalisten zurück, das 2007 in fünf Zeitungen veröffentlicht wurde. Die Saarbrücker Zeitung schrieb darüber "Heute wird offen gelogen". Anlass war ein gemeinsames Bühnenprogramm von Willemsen und Dieter Hildebrandt mit dem Titel "Ich geben Ihnen mein Ehrenwort - Die Weltgeschichte der Lüge".

Auf die Frage nach neuen Lügen antwortete Willemsen unter Hinweis auf einen Beitrag in einem Focus-Heft von 1993 über Ernst Jünger: "Das Focus-Interview, das Markwort mit Ernst Jünger geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der Bunten erschienen". Markwort fand, diese Antwort schade seinem Ansehen in der Öffentlichkeit, und ging vor Gericht.

Es kam heraus, dass der Chefredakteur das Interview nicht geführt hatte, und dass es nur stellenweise von Focus übernommen wurde. Willemsen erklärte, er sei falsch zitiert worden, und die Saarbrücker Zeitung sagte Markwort zu, sie werde die Äußerung nicht wiederholen. Damit gab dieser sich jedoch nicht zufrieden, und er klagte bei den Hamburger Gerichten. Der BGH hat jetzt neue Fakten geschaffen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.131357
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.11.2009/berr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.