Zum Tod von Betty Davis:Funk Fatale

Lesezeit: 3 min

Betty Davis im Februar 1976. (Foto: Fin Costello/Redferns)

Betty Davis war Soulsängerin, Songwriterin und mischte in den Sechzigern die Musikwelt auf wie keine Zweite. Ein Nachruf.

Von Andrian Kreye

Betty Mabry ist gestorben, die als Betty Davis Anfang der Siebzigerjahre drei Alben aufnahm, die Musikgeschichte schrieben. Um die Dimension mit einem etwas bekannteren Namen zu verorten - Prince spielte mal einem Journalisten während eines Interviews ihre Musik vor und sagte: "Das ist es, wo wir hinwollen." Auch Madonna, Erykah Badu und Janelle Monáe nannten sie als Vorbild.

Den neuen Nachnamen hatte sie aus einer kurzen Ehe mit dem Jazztrompeter Miles Davis mitgebracht, die für ihn sehr viel wichtiger war als für sie. Davis hatte sich 1968 in sie verliebt, als sie in New York vorführte, wie man als Frau die Popkultur aufmischt. Sie arbeitete als Model und Clubmanagerin, studierte Mode und Schauspiel, nahm Soulsingles auf.

Aufgewachsen war sie auf der Schweinefarm ihrer Großmutter in North Carolina. Ihr Vater arbeitete im Stahlwerk. Als Teenager lebte sie eine Weile in Pittsburgh, ging dann aber mit 17 nach New York. Dort hing sie im Club "The Cellar" rum, lernte Jimi Hendrix und Sly Stone kennen. Ihre eigentliche Berufung als Sängerin und Songwriterin hatte sie schon früh verfolgt. Für die Chambers Brothers schrieb sie den Song "Uptown", den sie ihnen so lange andiente, bis sie ihn endlich aufnahmen und damit einen ihrer größten Hit landeten.

Eigentlich wollte sie in Kalifornien mit Carlos Santana arbeiten, produzierte sich dann aber doch lieber selbst

Im "Blue Note" lernte sie dann Miles Davis kennen, der wie so viele Jazzmusiker damit kämpfte, dass die Jugend zum Rock und Funk abwanderte. Sie verpasste ihm erst mal eine neue Garderobe mit viel Leder, Schals und Plateauschuhen. Sie habe die Mülltonnen mit seinen Anzügen vollgestopft, erzählte sie später. Sie stellte ihm auch Hendrix und Stone vor. Unter dem Einfluss seiner neuen Frau und deren Freunde nahm Davis dann das Album "Bitches Brew" auf, auf dem seine Musiker mit elektrischen Gitarren und Keyboards experimentieren. Seine Musik war danach nie mehr dieselbe.

Über ihre Musik sagt Betty Davis: "Ich habe alles reingepackt." (Foto: Robert Brenner)

Betty Davis gingen die Allüren ihres Mannes bald so auf die Nerven, dass sie ihn nach einem Jahr wieder verließ. Sie modelte eine Zeitlang in London, obwohl sie das langweilte. "Da braucht man kein Hirn", sagte sie später. "Und man kann das nur so lange machen, solange man gut aussieht." Ein Jahr später kehrte sie zurück, zog nach Kalifornien. Eigentlich wollte sie dort mit Carlos Santana arbeiten. Aber dann produzierte sie sich lieber selbst und nahm zwischen 1973 und 1975 ihre drei legendären Alben "Betty Davis", "They Say I'm Different" und "Nasty Gal" mit einem ungewöhnlich derben Funk auf. Sie war ihrer Zeit viel zu weit voraus mit einer Reibeisenstimme, die sie behandelte wie eine Hardrockgitarre, mit Texten über Promiskuität und S&M, einer aggressiven Sexualität, die sie auf der Bühne in einer Breitbeinigkeit inszenierte, die den männlichen Rockstars dieser Zeit in nichts nachstand, mit ihrer extravaganten Mode und ihrem monumentalen Selbstbewusstsein. Im Radio spielten sie ihre Platten nicht, was damals auch bedeutete, dass sie es nie in die Charts schafften und Davis kaum Geld mit ihrer Musik verdiente.

Lange wurde gerätselt, warum sie sich so radikal zurückzog

1979 zog sie sich in Japan in ein Kloster zurück. Ihr viertes Album "Is It Love or Desire" war zwar schon fertig, erschien aber erst dreißig Jahre später. Ein Jahr später zog sie wieder nach Pittsburgh und verschwand aus der Öffentlichkeit. Sie sagte manchmal, der Tod ihres Vaters habe alles verändert. Aber so ganz glaubte man ihr nicht. Die aggressive Funk-Diva hatte sich in eine schweigsame, entrückte Melancholikerin verwandelt. Lange wurde gerätselt, warum sie sich so radikal zurückzog. Auch der Dokumentarfilm "Betty: They Say I'm Different" von 2017 konnte das nicht klären, für den sie viel erzählte, wenige Fragen beantwortete und sich nicht zeigte, was ihren Mythos nur noch vergrößerte. Sie selbst sagt: "Ich habe niemandem erzählt, dass Miles gewalttätig war. Also schrieb und sang ich mir das Herz aus dem Leib. Drei Alben mit hartem Funk. Ich habe alles reingepackt. Aber die Türen in der Branche schlossen sich immer wieder. Immer wieder sagten mir weiße Männer hinter Schreibtischen, ich solle mich ändern - mein Aussehen, meinen Sound. Ich müsse 'dazugehören', sonst gäbe es keinen Vertrag. Ich lernte, dass Stars in der Stille verhungern."

Am Mittwoch ist Betty Davis zu Hause in einem Vorort von Pittsburgh eines, wie es heißt, natürlichen Todes gestorben. Sie wurde 77 Jahre alt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSerie 1972: Das Jahr, das bleibt, Folge 2
:Alle hassen dich? Dann ist gut

Wie der Trompeter Miles Davis mit "On The Corner" die Fans, die Plattenfirma und die Radiostationen frustrierte - und so den Jazzrock erfand.

Von Andrian Kreye

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: