Seit unter einer stümperhaft übermalten Leinwand, die 2005 von amerikanischen Händlern bei einem Nachlassverkauf entdeckt wurde, angeblich Leonardo da Vincis "Salvator Mundi" zum Vorschein kam, blieben bei vielen Kunsthistorikern Zweifel. Einer immerhin, der russische Milliardär, Besitzer des Fußballclubs AS Monaco und Großsammler Dmitri Rybolowlew, muss fest überzeugt gewesen sein, dass es sich um einen echten Leonardo handelte, sonst hätte er ihn nicht für 127,5 Millionen Dollar gekauft.
Nun stellt er sich aber eine ganz andere Frage, eine, die weder mit dem Zustand des Gemäldes noch mit dem Künstler zu tun hat. Er fragt sich, ob er für das Bild nicht 50 Millionen Dollar zu viel gezahlt hat. Aus der New York Times erfuhr er nämlich, dass die Vorbesitzer beim Verkauf des Bilds an einen "privaten Sammler" nur 75 bis 80 Millionen Dollar bekamen. Dieser Sammler - das ist er selbst.
Mit dieser 50-Millionen-Lücke begannen die Zweifel Rybolowlews an seinem Genfer Händler Yves Bouvier. Er verdächtigt ihn, diese stattliche Summe, und nicht nur seine Provision von zwei Prozent, selbst behalten zu haben - Bouvier, dessen Firmenimperium rund um Lagerung, Transport und eben auch Handel mit Kunst kaum zu überschauen ist, der aber bislang als seriös galt. Und es geht ja nicht nur um den mutmaßlichen Leonardo.
Die Welt der Supersammler ist klein
In den vergangenen zehn Jahren soll Rybolowlew Kunst im Wert von zwei Milliarden Franken über Bouvier gekauft haben. Ähnlich wie der deutsche Kunstberater Helge Achenbach, der zurzeit vor Gericht steht, soll Bouvier mittels gefälschter Dokumente und anderer Tricks Rybolowlew regelmäßig überhöhte Preise abgerechnet haben.
Seit die Polizei Bouvier vor zehn Tagen in Monaco festgenommen und gegen ihn ein Verfahren wegen Betrugs und Geldwäsche eröffnet hat (SZ vom 28. Februar), sickern immer neue Details durch. Glaubt man der Schweizer Zeitung Le Temps, die aus den Ermittlungsunterlagen zitiert, bestand Bouviers Fehler darin, dass er die Welt der Supersammler für größer hielt, als sie ist. Es ist wahrscheinlich, dass sich Menschen, die Werke im hohen zweistelligen Millionenbereich kaufen oder verkaufen, eines Tages begegnen.
Genau das passierte bei einer Silvesterparty in New York, als Rybolowlew einen Berater des Sammlers Steven Cohen traf. Cohen, so erzählte ihm dieser, habe Modiglianis Gemälde "Nu sur coussin bleu" für 93,5 Millionen Dollar verkauft. Auch hier war der Käufer kein anderer als Rybolowlew selbst, nur hatte Bouvier ihm 118 Millionen berechnet.
"Das ist absurd"
Bouvier, der gegen eine Kaution von zehn Millionen Euro frei kam, hat sich am Wochenende in der Zeitung Luxemburger Wort erstmals geäußert. Er wies alle Vorwürfe von sich und sprach von einer Falle. "Man will mich in den Gulag schicken." Rybolowlew versuche Zeit zu gewinnen, weil dieser ihm Dutzende Millionen Euro schulde für den "schönsten Rothko der Welt", "No. 6 - Violet Green and Red", das letzte Stück, das Rybolowlew bei ihm gekauft habe.
Und die überhöhten Preise? "Das ist absurd. Wollen Sie Swisscom auch Betrug vorwerfen, wenn die ihnen ein Handy für 600 Franken verkaufen, das im Einkauf nur 200 gekostet hat?"
Die Ermittlungen gegen Bouvier könnten weitreichende Folgen haben. Nicht nur für die "Freeports", die Zollfreilager, die Bouvier nach Singapur und Luxemburg auch in Shanghai, Malta, auf den Bahamas und auf Mauritius eröffnen will. Sondern auch für das private Museum R4, das er sich für 150 Millionen Euro auf der Pariser Île Seguin von Jean Nouvel bauen lassen will. In Paris zweifelt man schon, dass das Projekt in absehbarer Zeit zustande kommt.