Berufsbild Auktionatorin:Hammer Frauen

Christie's

Die großen Abendauktionen waren lange in Männerhand. Doch zunehmend kommen Frauen zum Zuge, wie Tash Perrin von Christie’s, hier 2018 bei Versteigerung der Sammlung Peggy und David Rockefeller.

(Foto: Christie's)

Die Leitung großer Kunstauktionen liegt nicht mehr nur in Männerhand. Wie aber erlernt man diese besondere Profession? Man braucht dafür Sachverstand, Coaching und Charisma.

Von Astrid Mania

In Auktionsberichten ist in der Regel von Preisen die Rede - entweder reichlich nüchtern, wenn keine Sensationen zu vermelden sind. Oder mit Ausrufezeichen und Aufregung, wenn wieder ein Rekord gebrochen wird. Von den Personen, die eine solche Versteigerung von Kunstwerken leiten und lenken, ist selten die Rede. Eine Ausnahme bildete Tobias Meyer, bis zu seinem Ausscheiden 2013 "Worldwide Head of Contemporary Art" bei Sotheby's. Von ihm stammte die Devise, "Let's make it sexy!", die heute eher seltsam klingt, fast schon nach Neunzigerjahren. Meyer war Teil der gewaltigen Vermarktungsmaschinerie Auktionswesen und bot immer wieder Futter für die Presse. Unübertroffen ein Hausbesuch-Artikel im Manager Magazin vom März 2013, der Meyers Einrichtungstalent noch über das des "Bayern-Ludwig in seinen Schlössern" stellte.

Doch es gibt weitere Ausnahmen. Nämlich dann, wenn eine Frau den Hammer schwingt. So geschehen etwa im Daily Telegraph, in einem Beitrag vom Juni 2016, dessen Thema die Rolle von Frauen im Auktionsmarkt war. Ausdrücklich fand Erwähnung, dass mit Helena Newman, Sotheby's "Global Co-Head" in der Abteilung Impressionismus und Moderne, zum ersten Mal seit 1990 eine Frau eine Abendauktion geleitet habe, nämlich die ihres Departments vom 21. Juni 2016. Und nachdem in Berlin im Dezember bei Grisebach in Berlin die Benefizauktion zugunsten des Vereins "One Fine Day" zu Ende gegangen war, pries die Berliner Zeitung als "eine Entdeckung des Abends" nicht etwa ein Kunstwerk, sondern die Auktionatorin Lena Winter.

Man muss sich auskennen - aber auch das Potenzial haben, einen Raum zu elektrisieren

Wie also sieht es um die Frauen am Auktionsblock aus? Und wie kommt man überhaupt in diesen Beruf? Viele Auktionshäuser führen hausintern Kurse oder Coachings für interessierte Mitarbeiter durch. Bei Grisebach etwa wird innerhalb der Geschäftsführung entschieden, wer das Potenzial hat, einen Raum zu elektrisieren - "ihn zu besitzen", wie Lena Winter das nennt. Eine spezielle Förderung für Frauen gebe es nicht.

Gelehrt wird Versteigern durch Workshops, etwa mit einem Schauspieltrainer für Körpersprache oder Atmung. Letzten Endes aber gehe es darum, seinen eigenen Stil zu finden: "Man muss natürlich gut mit Zahlen umgehen können. Den Raum ausfüllen, aber auch die Online-Bieter im Blick behalten. Aber es darf auch ruhig menscheln, denn Sympathie ist wichtig", so Lena Winter, die momentan mit Nina Barge und Stefan Körner bei Grisebach auf dem Weg zur Auktionatorin ist.

Rechtlich ist dieser Weg in Deutschland klar umrissen. So unterscheidet Paragraf 34b der Gewerbeordnung zwischen einer "allgemeinen Erlaubnis, als Versteigerer/Versteigerin tätig sein zu dürfen" und der "öffentlichen Bestellung von Versteigerern/Versteigerinnen". Letzteres, so Matthias Borowski, Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, wird bei dieser formlos beantragt, sofern man seinen Geschäftssitz in Berlin hat oder bei einem Berliner Versteigerer oder einer Versteigerin beschäftigt ist. Auch sind mindestens fünf Jahre Berufserfahrung sowie Rechts- und Fachkenntnisse nachzuweisen.

"Überdurchschnittliche Fachkenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich der Eigenschaften, Qualität und Preise des Versteigerungsgutes" werden von all jenen gefordert, die für ein Spezialgebiet öffentlich bestellt werden wollen. Der Nachweis erfolgt dann in der Regel durch ein Prüfungsgespräch bei der Industrie- und Handelskammer.

In New York braucht man nur einen Gewerbeschein, wie ein Hot-Dog-Verkäufer. In Frankreich wird eine siebenjährige Ausbildung verlangt

Für international agierende Auktionshäuser wie Christie's stellt sich die Situation komplexer dar. Zwar werden auch hier angehende Auktionatoren und Auktionatorinnen hausintern geschult, doch müssen je nach Land unterschiedliche bürokratische Hemmnisse bewältigt werden. In Großbritannien, so Nick Finch, "Global Director for Auctioneering" bei Christie's, sei der Beruf nicht geschützt, und somit gebe es weder Prüfung noch Lizenz. In New York hingegen bedürfe es lediglich eines Gewerbescheins - gleich, ob man Kunst versteigern oder Hot Dogs verkaufen will. Wieder anders sieht es etwa in Frankreich aus, wo ein siebenjähriger Kurs mit abschließender Fachprüfung verlangt wird. In jedem Fall würden die Absolventen danach, so Finch, "christiefiziert". Dieser Vorgang besteht aus einem Fortbildungsprogramm, das allen, die es zum Auktionsblock zieht, offensteht.

Die Nagelprobe dabei: einen Tag lang imaginäre Lose zuschlagen. "Wir schauen dann, wer herausragt, über Charisma, die richtige Stimme und die richtige Körpersprache verfügt", so Nick Finch. Im Anschluss beginnt die interne Ausbildung, die sich über ein halbes bis zu einem ganzen Jahr erstreckt und theoretisches wie praktisches Wissen umfasst. Auch bei Christie's ist die Charity-Auktion das bevorzugte Übungsfeld: "Man agiert freier, braucht aber mehr Überzeugungskraft", sagt Finch.

Das Geschlechterverhältnis war auch hier lange Zeit unausgeglichen. Als Pionierin muss man Anke Adler-Slottke bezeichnen, die bei Christie's "International Consultant" ist und auch heute noch bei mancher Charity-Auktion mitwirkt. 1963 in die Dienste der Londoner Briefmarken-Versteigerer Robson Lowe Ltd. eingetreten, führte Adler-Slottke bereits im selben Jahr in London Auktionen durch: "Ich war mehrsprachig, und darum wurde ich gefragt. Eine direkte Ausbildung gab es damals nicht."

Im April 1964 stand sie dann in Basel als erste Frau bei einer internationalen Briefmarken-Versteigerung am Block: "Der Saal war voller Herren, keine Frau; das Sammeln von Briefmarken war eine Männerdomäne, das war eine Herausforderung, aber ich war voller Adrenalin", erinnert sie sich. Und sie war erfolgreich. 1968 eröffnete Christie's eine Dependance in Genf, wo dann ebenfalls Anke Adler-Slottke seltene Briefmarken zuschlug: "Und so gewöhnte sich Christie's daran, dass da 'ein Mädchen' die Auktionen führte." 1980, im Zuge der Fusion von Christie's und Robson Lowe, wechselte Adler-Slottke in den Bereich der bildenden Kunst und leitete dort etwa 1996 die erste Restitutions-Auktion in Wien.

"Heute", so Adler-Slottke, "stellt sich die Situation für Frauen natürlich völlig anders dar." Laut Nick Finch ist gut ein Drittel der aktiven Auktionatoren bei Christie's weiblich. Das betrifft jedoch immer noch vorrangig die Tagesauktionen; die gewichtigeren Abendauktionen waren lange Zeit noch fest in Männerhand. Das änderte sich bei Christie's erst im Mai 2018, als Tash Perrin, seit 2007 "Senior Vice President and Business Director of Trusts, Estates & Appraisals", bei der aufsehenerregenden Auktion der Sammlung Peggy und David Rockefeller ihr Debüt bei einer Abendauktion gab. Und im Januar dieses Jahres schwang Camille de Foresta, Spezialistin für asiatische Kunst in der Pariser Niederlassung, bei der von viel Presse begleiteten Versteigerung der YSL-Garderobe Catherine Deneuves den Hammer, gemeinsam mit ihrem Kollegen François de Ricqlès. Denn einen Auktionsmarathon von vier Stunden, so die Experten, übersteht man nicht allein.

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