Beruf: Ghostwriter:Das Ich und der Andere

In Polanskis neuem Kinofilm Der Ghostwriter stirbt ein Lohnschreiber auf mysteriöse Weise. Drei echte Ghostwriter erzählen, warum sie im Verborgenen arbeiten.

Michelle Müntefering

An diesem Donnerstag läuft Roman Polanskis Kinofilm Der Ghostwriter an, nach einem Roman von Robert Harris. Im Film versetzt Regisseur Roman Polanski den abgehalfterten Journalisten und Biographen englischer Popstars auf eine Insel vor der amerikanischen Ostküste. In völliger Isolation soll er die Memoiren des britischen Premiers verfassen, der stark an Tony Blair erinnert. In seinem Luxusbüro genießt der "Ghostwriter" alle Annehmlichkeiten, bis er bei den Recherchen bemerkt, dass er den Auftrag lieber nicht angenommen hätte - sein Vorgänger hat sich umgebracht.

Beruf: Ghostwriter: In Roman Polanskis neuem FilmDer Ghostwritererhält ein junger Autor (Ewan McGregor) den Auftrag, die Biographie des britischen Premierministers fertigzustellen. Sein Vorgänger wurde tot an den Strand gespült.

In Roman Polanskis neuem Film

Der Ghostwriter

erhält ein junger Autor (Ewan McGregor) den Auftrag, die Biographie des britischen Premierministers fertigzustellen. Sein Vorgänger wurde tot an den Strand gespült.

(Foto: Foto: Filmverleih)

In Wirklichkeit ist der Beruf des Ghostwriters weniger spektakulär. "Es ist ein einsamer Beruf", sagt Minita von Gagern, Präsidentin des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache. "In der Politik sind das vor allem Redenschreiber, ganze Stäbe arbeiten ihren Chefs zu", sagt Gagern. Auch in der Wirtschaft gebe es immer mehr Autoren, die für Manager die richtigen Worte finden - in Dax-Unternehmen sitzen sie sogar in der Konzernleitung. Aber auch Anfragen für Ghost-Biographien werden häufiger.

In Deutschland werden Ghostwriter von Literaturagenten vermittelt. Sie suchen den richtigen "Ghost" für den entsprechenden Kunden und positionieren das Buch am Markt.

Die Gehälter der Autoren hängen vor allem davon ab, wie bekannt und wichtig der Auftraggeber ist - und wer das Manuskript verfasst. Während Anfänger oft nicht mehr als 3000 Euro Honorar im Monat verdienen, bekommen renommierte Autoren weit höhere Gehälter - das Geld, das in diesem Geschäft fließt, wird genauso diskret behandelt wie die Aufträge.

Verschwiegenheit ist oberstes Gebot des Ghostwriters. Eitelkeiten kann man in diesem Beruf nicht ausleben. Die Arbeit findet im Verborgenen statt, und den Ruhm für das Werk streicht dann ein anderer ein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie der Journalist Hajo Schumacher die Wowereit-Biographie schrieb.

Im Video: Filmfans haben eine ganz schwere Woche vor sich: Denn was diese Woche an großartigen Filmen in unseren Kinos startet, hätte auch für einen ganzen Monat gereicht. Unter anderem "Ghostwriter" von Roman Polanski.

Weitere Videos finden Sie hier

Nähe und Distanz

Der Journalist Hajo Schumacher, 45, schrieb die Biographie des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit.

Beruf: Ghostwriter: Journalist Hajo Schumacher schrieb die Biographie des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit.

Journalist Hajo Schumacher schrieb die Biographie des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit.

(Foto: Foto: ddp)

Es gibt den Unterschied zwischen einem Ghostwriter, der im Buch als Ko-Autor genannt wird, und einem, der wirklich unsichtbar bleibt. Mal bin ich Halb-Geist, mal ganzer Geist. Die Arbeitsweise bleibt gleich: Politiker oder Manager wollen Bücher schreiben, meistens über sich, fast immer schmalztriefend, haben aber keine Zeit. Gut so. Denn die meisten könnten es einfach nicht. Das ist auch nicht schlimm: Sie sollen ja nicht schöngeistern, sondern regieren oder ein Unternehmen führen.

Klaus Wowereit und ich haben uns meist sonntagnachmittags zu vierstündigen Gesprächen getroffen, die am Rande zu einem kulinarischen Erlebnis wurden. Er hat selbst Kuchen gebacken. Und dann Lob von mir erwartet. Politiker eben. Wenn er die Stadt regiert, wie er Kuchen komponiert, mache ich mir um Berlins Zukunft allerdings keine Sorgen.

Wie in Polanskis Film haben wir erst mal Ziele vereinbart. Politiker wollen über sich lesen: "Alle in der Partei sind meine Freunde, nichts liegt mir mehr am Herzen als das Wohl des Volkes" - das will aber leider keiner lesen und auch kein Ghostwriter aufschreiben.

Mit Wowereit gab es diese Probleme nicht. Unsere Übereinkunft hieß schlicht: Realitätsnähe. Konflikte gibt es meist, wenn es um die Herkunft geht. Die frühen Jahre werden verklärt: Alle haben sich aus kleinsten Verhältnissen hochgerackert und wussten schon mit drei Jahren, dass mal was ganz Großes aus ihnen würde. Ich aber suche nach den Brüchen. Wowereit hat über Jahre seine kranke Mutter gepflegt. Das kann nicht nur Aufopferung sein, sondern bedeutet oft auch emotionale Geiselnahme, die Stress verursacht. Darüber spricht ein Politiker ungern. Wowereit hat aber genau diese unangenehmen Punkte klar benannt.

Mit der Arbeit sind mein Verständnis und mein Mitleid für Politiker größer geworden. Ich könnte fast jeden Beruf machen, aber nie Politiker sein. Zu brutal. Jeder Journalist, der einem Politiker näherkommt als im Tagesgeschäft, hat ein Problem. Emotionale Nähe entsteht. Ich bin stets um kritische Distanz bemüht, gleichsam als Anwalt des Lesers. Aber den Auftrag einer Zeitung, zehn Gründe zu nennen, warum Wowereit nichts taugt, muss ich leider ablehnen.

Journalisten und Politiker teilen sich als Berufskrankheit den Narzissmus. Ein Leben als Dauergeist, der immer nur im Verborgenen dichtet, kann ein anständiger Narziss nicht ertragen. Doch relativiert sich diese Selbstliebe durchaus mit der Höhe des Honorars.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Thilo von Trota für Helmut Schmidt tat.

Absolute Verschwiegenheit

Beruf: Ghostwriter: Thilo von Trotha ersann viele Reden des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.

Thilo von Trotha ersann viele Reden des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.

(Foto: Foto: dpa)

Thilo von Trotha, 69, war von 1974 bis 1980 Redenschreiber von Helmut Schmidt, 1990 gründete er die Akademie für Redenschreiben und 1998 den Verband der Redenschreiber deutscher Sprache.

Am Anfang war meine Arbeit nicht immer der Volltreffer. Als Beamter im Kanzleramt kam ich zufällig 1974 als Redenschreiber zu Helmut Schmidt. Damals stand der Bundeskanzler im Ruf, nicht viel mit der Jugend anfangen zu können, zu kritisch mit ihr zu sein. Ich habe ein "Wort zur Jugend" vorgeschlagen. Schmidt hat auf meinen Entwurf geschaut, mit tiefer Stimme etwas Unverständliches gemurmelt und dann gesagt, welche Stellen ich ändern soll. Drei Sitzungen später las er das Skript noch einmal und sagte: "Schön. Aber das nimmt mir keiner ab." Er strich die ganze Passage.

Es gab auch große Momente. Schmidt besuchte als erster deutscher Kanzler eine jüdische Synagoge. Die gesamte jüdische Welt und viele darüber hinaus schauten auf ihn. Wir wussten das. Es war ausgesprochen schwierig, die richtigen Worte zu finden, die Erfahrungen der jüdischen Gemeinde mit der deutschen Geschichte in Worte zu fassen. Kern der Rede wurde schließlich eine Formulierung, die bis heute gültig ist: Die jetzt Lebenden sind nicht schuldig. Doch es gibt eine Schuld, aus der Verantwortung erwächst.

Helmut Schmidt ist nie ein Kuschelchef gewesen. Ich bin damals selten ohne Schweiß unter den Achseln in sein Büro gegangen. Aber er war nie ungerecht. Vielmehr hochgradig sachlich. Nüchtern. Heute habe ich großen Respekt und eine darüber hinausgehende tiefe Zuneigung zu ihm. Der wichtigste Verhaltenskodex in diesem Job ist: Vertrauen und unbedingte Loyalität. Darauf baute auch Schmidt. An manchen Abenden gab er tiefe Einblicke in seine politischen Überlegungen. Ich dachte, wenn nur die Hälfte davon nach außen dringt, verändert das den Lauf der Dinge. Absolute Verschwiegenheit war oberstes Gebot. Und: Redenschreiben ist Dienstleistung - das Anbieten einer Formulierung, die das Beste im Redner stärkt, aus der er wählt. Als würde eine schöne Frau ein Kleid tragen, obwohl sie es nicht selbst geschneidert hat.

Man darf natürlich nicht eitel sein. Einige sind daran gescheitert. Bei Schmidt war damals eine Journalistin, die sagte: "Ich halte nicht aus, dass mein Name nicht vorkommt." Sie ist gegangen. Ich war nur unheimlich stolz, weil meine Gedanken im Bulletin der Bundesregierung verewigt wurden. Ich wusste ja, woher sie kamen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wem Udo Lindenberg seine Biographie zu verdanken hat.

Realität und Rollenspiel

Beruf: Ghostwriter: Kai Hermann schrieb als Ko-Autor an der Biographie von Udo Lindenberg mit.

Kai Hermann schrieb als Ko-Autor an der Biographie von Udo Lindenberg mit.

(Foto: Foto: dpa)

Der Journalist Kai Hermann, 72, schrieb als Ko-Autor die Biographie von Udo Lindenberg "Panikpräsident". Mit dem Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" aus dem Jahr 1978 wurde er weltweit bekannt.

Ich kenne Udo Lindenberg seit den siebziger Jahren. Während einer gemeinsamen Kuba-Reise entstand bei einigen Cocktails die Idee, ich könnte ein Buch für ihn über sein Leben schreiben, das in den Bars dieser Welt entstehen würde. Ganz so lustig wurde die Zusamenarbeit dann nicht.

Udo ist ein ruheloser Mensch. Unsere Treffen haben meistens im Auto stattgefunden. Immer nachts. Wir sind zwischen Nordsee und Ostsee gependelt, Udo am Steuer, ich daneben auf dem Beifahrersitz. Es war völlig dunkel. Das wenige, das Udo erzählte, musste ich mir merken. Ich konnte ja in der Dunkelheit nichts aufschreiben, und mein Diktiergerät funktionierte bei Udos Genuschel nicht.

Viele Menschen können nicht über ihr Leben reden. Udo ist eine Kunstfigur, vom Hut bis zum typischen Slang. Es widerstrebt ihm, dieser Figur etwas Reales hinzuzufügen. Ich behaupte, die meisten Berühmtheiten sind irgendwann in ihrer Rolle gefangen. Ein Buch über die eigene Lebensgeschichte ist aber etwas, dass wieder den ganz normalen Menschen hervorholt. Udo hatte eine Abwehrhaltung, es überhaupt zu lesen. Seine einzige Rückmeldung war: "Mach weiter so, Alter."

Inhaltlich hatten wir keine Konflikte, es bestand einfach ein Vertrauensverhältnis. Aber Udo tat sich schwer, etwas über sich preiszugeben. Außer über Musik, darüber, wie Songs entstanden sind. Über Karrieresprünge oder Erfolge hat er wenig gesprochen. Jugendfreunde und langjährige Bandmitglieder haben da wesentlich mehr beigetragen.

Einmal erinnerte sich Udo dann doch, wie er nach seinem ersten Plattenvertrag eine Villa für seine Mutter suchte, oder wie er als Kind auf einem alten Blechfass getrommelt hat. Ganz wichtig war ihm sein Engagement gegen rechts. Was er da macht, ist übrigens absolut ehrlich. Er wird regelrecht davon beherrscht.

Meine Bedingung ist: Vertrauen. Ich versuche nicht, die Sprache der Person, für die ich schreibe, zu imitieren, sondern entwickele eine Kunstsprache und transportiere den Jargon. Dadurch und durch umfangreiche Recherchen, entsteht eine Biographie in Ich-Form. Ich sehe mich als Ko-Autor und bestehe deshalb auf Nennung meines Namens. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil der Leser sonst getäuscht würde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: