Bernd Eichinger ist tot:Ich hatte einen Traum

Lesezeit: 7 min

Abschied von einem ganz Großen: Bernd Eichinger ist in Los Angeles einem Herzinfarkt erlegen. Der deutsche Film verliert einen Mann, an dem man sich reiben konnte. Und den einzigen Produzenten von Weltrang. Er wurde nur 61 Jahre alt.

Tobias Kniebe

Es muss Ende 2005 gewesen sein, als in den Münchner Bavaria-Studios in aller Stille das Parfum gedreht wurde. Mitten in der großen Filmhalle war da ein kleiner klaustrophobischer Keller aufgebaut, der Arbeitsraum des Parfumeurs Baldini alias Dustin Hoffman - der gerade wortreich gestikulierend eine Lieferung Rosenblätter empfing. Sie regneten, Take für Take, in Massen durchs Kellerfenster hinab, zwischendrin erzählte Hoffman schmutzige Witze. Der Regisseur Tom Tykwer war mittendrin im Geschehen, erhitzt und animiert, um jede Bewegung von Kamera und Schauspielern zu führen.

Etwas abseits im Dunkeln, weit entfernt vom gleißenden Kern des Geschehens, saß Bernd Eichinger, der Produzent - mit Kopfhörern vor einem Monitor. In diesem Moment hatte er eine einsame, nicht gerade bequeme Position auf einem hohen Stuhl, der praktisch zur Aufmerksamkeit zwang. Eichinger saß auf der vordersten Kante, Stunde um Stunde. Stunden an Filmsets können elend lang werden, wenn man nicht direkt an der Kamera beschäftigt ist. Eichinger sagte praktisch nichts und rührte sich nicht, aber er hatte den Blick mit einer gebannten, denkwürdigen Intensität auf das Monitor-Bild geheftet. Niemand beobachtete ihn, den großen Showman, aber er konnte und wollte sich nicht zurücklehnen, den Blick nicht für eine Sekunde abwenden, um die anderen mal kurz allein machen zu lassen: ein Mann und seine Lebensleidenschaft.

Bernd Eichinger wurde am 11. April 1949 in Neuburg an der Donau als Sohn eines Landarztes geboren und wuchs in einem konservativen Elternhaus in Rennertshofen auf. Katholisches Internat, aber zu klug, um richtig Rabatz zu machen. Frühe Auftritte in einer Rock-'n'-Roll-Band, Abitur in München. Als einer der ersten Studenten der neu gegründeten Hochschule für Fernsehen und Film besuchte er die Regieklasse, aber noch während des Studiums zog es ihn als Praktikant zur Bavaria, dann als Aufnahmeleiter, Drehbuchautor, zeitweise sogar als Schauspieler.

Eichinger brauchte dann nicht lange für die Erkenntnis, dass er sein eigenes Ding machen konnte. Und wollte.

Mit der Gründung der Solaris-Film 1974 war es soweit: Eichinger wurde zu einem wichtigen Produzenten des Neuen Deutschen Films, drehte unter anderem Falsche Bewegung mit Wim Wenders, Stunde Null mit Edgar Reitz und die Die gläserne Zelle mit Hans W. Geissendörfer, für den es 1977 eine erste Oscarnominierung gab. So hätte er als Diener des deutschen Autorenfilms in die Annalen eingehen können, eine würdige, wenn auch zurückgenommene Rolle - wäre nicht 1979 die Münchner Constantin Film in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Eichinger sah seine Chance und übernahm zunächst ein Viertel, dann die Hälfte der Anteile. Es entstand die "Neue Constantin" - und bald war im deutschen Film nichts mehr wie vorher.

Im Jahr zuvor hatte die Republik gebannt eine Serie im Stern verfolgt, in der eine 15-jährige, heroinabhängige Prostituierte aus Berlin-Neukölln in der ersten Person über ihr Leben und Leiden sprach. Das war neu, das war sensationell, da fürchtete das Land plötzlich um seine Kinder - und bei Bernd Eichinger löste das zum ersten Mal jenes Kribbeln aus, das ihn später noch oft befallen würde. Egal, wer sonst noch mitbot, egal, wie teuer die Filmrechte werden würden: Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo musste er haben. Der Ankauf gelang, Studienkumpel Uli Edel, immer ein treuer Kollaborateur, übernahm die Regie. Und Eichingers Instinkt trog nicht: mit 4,7 Millionen Besuchern landete er den bis dato erfolgreichsten deutschen Film der Nachkriegsgeschichte. Das Einspielergebnis von 38 Millionen Mark, bei Kosten von sechs Millionen - das war auch finanziell die Basis für weitere Eroberungen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema