"Bernadette" im Kino:Reise zu sich selbst

Film

Eine Frau mit Vision, aber die Welt erklärt sie zur Gefahr: Cate Blanchett als Bernadette.

(Foto: Universum/DCM)
  • In "Bernadette" spielt Cate Blanchett eine herrlich misanthropische Frau, die lieber mit Geräten als mit Menschen kommuniziert.
  • Regisseur Richard Linklater, der mit "Boyhood" und "Everybody Wants Some!" großartige Filme gemacht hat, ist hier allerdings nicht in Höchstform

Von Susan Vahabzadeh

Bernadette braucht keine Freunde, denn sie hat ja Manjula. Permanent diktiert sie in ihr Handy, mailt und telefoniert mit Manjula. Manjula, erfährt man, ist ihre Assistentin in Indien, die ihr sozusagen virtuell in allen Lebenslagen zur Seite steht, für sie shoppt und organisiert recherchiert oder auch nur zuhört.

Es trifft sich gut, dass Manjula so weit weg ist, denn Bernadette hat mit Menschen ein Problem: Die meisten gehen ihr ungeheuerlich auf die Nerven. Außer ihrem Mann und ihrer Tochter kann sie niemanden leiden. Also bleibt sie, wenn sie nicht ihre Tochter umherkutschiert, meist zuhause, draußen gibt es ja doch nur Ärger. Egal, ob Bernadette es mit den Nachbarn, anderen Müttern oder Ladenbesitzern zu tun bekommt - die Kommunikation gerät sofort in Schieflage. Alles langweilige Trottel, und Bernadette hat keine Geduld. Das ist ziemlich anstrengend für ihren Mann Elgie (Billy Crudup), Computer-Genie von der Größenordnung, die selbst in Seattle selten ist.

Cate Blanchett spielt diese Frau. Sie war noch nie die Sorte Schauspielerin, die hinter ihren Rollen verschwindet, ihr liegt ein bestimmter Typ Figur besonders: solche, eigentlich stark sind und doch in einer Krise, die sie mit Humor nehmen. Bernadette ist klug, witzig, zauberhaft und ein bisschen durchgeknallt. Eines abends überrumpelt ihre 15jährige Tochter Bee sie mit Reiseplänen. Bee will unbedingt in die Antarktis. Und zum Entsetzen von Elgie macht Bernadette einen Familientrip daraus und beauftragt Manjula mit der Planung.

Die Romanvorlage bestand aus digitalen Spuren, aber weil Bildschirme im Kino nicht funktionieren, ist der Film ein eigenes Kunstwerk

Bernadette ist die Titel-Heldin in Richard Linklaters neuem Film, eine zweite Hauptrolle spielt ihr Haus, eine alte Villa mit Geheimzimmern und Park, auf charmante Art heruntergekommen und doch irgendwie gemütlich. Bernadette ist sozusagen vom Fach. Sie war einmal Architektin, und einmal taucht ein kleiner Dokumentarfilm über sie auf, der erklärt, was es mit ihr auf sich hat. Vor der Geburt von Bee galt sie als visionäre Architektin, aber ihr Paradeprojekt in Los Angeles wurde von einem dämlichen Fernsehstar niedergerissen. Der Beruf trieb Elgie nach Seattle und Bernadette in die innere Immigration.

Richard Linklater und Cate Blanchett schicken Bernadette auf eine Reise zu sich selbst, und damit sie sich aufrafft, muss sie erst einmal in die Enge getrieben werden. Audrey (Kristen Wiig), die Nachbarin, hat den Erdrutsch, der ihre Party ruiniert hat, eigentlich sich selbst zuzuschreiben. Sie hat, nicht ganz rechtmäßig, jede Menge Gestrüpp von Bernadettes Grundstück entfernen lassen. Weil Bernadette eindeutig die klügere von beiden ist, geht Elgie davon aus, dass sie es darauf angelegt hat. Außerdem liegt ihm seine neue Assistentin in den Ohren, Bernadette sei verrückt. Und dann findet Elgie noch einiges über Manjula heraus, und Bernadette muss entweder von der Bildfläche verschwinden - oder sie wird in eine Klinik verfrachtet.

Das ist alles ganz schön, und bald auch hoffnungsvoll. Aber Linklater, der mit "Boyhood" und "Everybody Wants Some!" richtig großartige Filme gemacht hat, ist hier nicht in Höchstform. Das wird deutlich, wenn Elgie mit seinen Mitstreitern auf der Couch auf Bernadette wartet. Cate Blanchett kann kleine Löcher in ihrer eigenen Figur gut überspielen, aber Elgie hat eine hohle Stelle, die keiner der Schauspieler verbergen kann: Ein Spitzentyp, den alle lieben, Bernadettes Seelenverwandter, Bees Vertrauter. Und der geht fremden Leuten auf den Leim, die ihm einreden wollen, seine Frau sei eine Gefahr?

"Bernadette" basiert auf einem Roman von Maria Semple, und irgendwas ist vielleicht schief gegangen auf dem Weg vom Papier auf die Leinwand. Der Roman, zusammengesetzt aus Emails, Textnachrichten und Dokumenten, aus denen sich die Geschichte der Architektin herauslesen lässt, war in den USA ziemlich erfolgreich, und Linklaters Film wird ihm formal natürlich nicht gerecht: Es ist eine schöne Idee, all die digitalen Spuren auszuwerten, die ein Menschleben hinterlässt, aber als Film sind Bildschirme nicht zu gebrauchen. Man muss "Bernadette" als eigenständiges Kunstwerk sehen, nicht als authentische Abbildung der Wirklichkeit. Dann nämlich wäre Bernadette, die ihre Tabletten verweigert und nicht schlafen kann vielleicht wirklich eine kranke Frau, und darum geht es hier nicht.

Einmal redet Bernadette mit ihrem früheren Architekturprofessor (Laurence Fishburne) und er sagt zu ihr: Richtig kreative Geister müssen arbeiten, sonst werden sie zu einer Bedrohung. Das ist das eigentliche Thema. Die Kunst muss sich ihren Weg bahnen, alles andere ist Selbstverleugnung. Bernadette hält die Familie für wichtiger, als von Architekturvisionen geplagt zu werden, für die die Welt noch nicht reif ist. Aber dabei ist sie sich selbst verloren gegangen. Sie wird sich schon wiederfinden, an einem Ort, wo alles kalt und still ist und ihr das Leben nicht dazwischenfunkt.

Where'd You Go, Bernadette, USA 2019 - Regie: Richard Linklater. Drehbuch: Linklater, Holly Gent, Vincent Palmo jr.. Kamera: Shane F. Kelly. Mit: Cate Blanchett, Billy Crudup, Emma Nelson, Judy Greer, Kristen Wiig. Verleih: Universum/DCM, 111 Minuten.

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