"Berliner Zeitung":"Det war Scheiße"

Entlastendes in der Stasi-Affäre bei der Berliner Zeitung: Ex-Chefredakteur Michael Maier erinnert sich an ein wichtiges Geständnis.

Caspar Busse

Manchmal dauert es, bis die Erinnerung zurückkommt. Noch in der vergangenen Woche konnte der ehemalige Chefredakteur der Berliner Zeitung, Michael Maier, nicht sagen, ob ihm Thomas Leinkauf, leitender Redakteur, schon vor mehr als zehn Jahren seine Stasi-Vergangenheit offenbart hat. Da müsse er erst in seinen Unterlagen nachsehen, sagte Maier. Jetzt schildert er in einem Beitrag für den Spiegel im Detail, wie es wirklich war.

Im Frühsommer 1996, um die Mittagszeit, habe er, Maier, das schüchterne Klopfen an seiner Bürotür gehört: "Ich wusste, es musste ein Vertrauter sein. Kein normaler Ossi hätte es gewagt, ohne Voranmeldung beim Chef aufzukreuzen." Es sei Leinkauf, damals Chef der Reportertruppe, gewesen, der Maier eröffnete - "die Augen auf den Boden geheftet"- dass er als Student für die Stasi gearbeitet habe. "Det war Scheiße", habe Leinkauf eingeräumt. Der Personalleiter der Berliner Zeitung habe aber bis dahin keine Akte Leinkauf gefunden, so Maier.

Maier schreibt, Leinkauf sei immer ein "besonderer Leistungsträger" gewesen: "Als Einziger war er zu mir gekommen und hatte freiwillig ein schon lange zurückliegendes Unrecht bekannt. Ich habe in seiner spröden Reaktion Reue erkannt."

Die Enthüllung Maiers ist gut für Leinkauf, denn das frühe Geständnis kann ihn teilweise entlasten. Auch der ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Stasi, Joachim Gauck, hatte vergangenen Woche der SZ gesagt: "Wenn er tatsächlich gegenüber seinem Chef reinen Tisch gemacht hat, dann spricht das für ihn."

Die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit ist ohnehin schwieriger als gedacht. Die Experten der Freien Universität vom Forschungsverbund SED-Staat haben ihre Mitarbeit nach Informationen aus dem Berliner Verlag offenbar abgesagt. Es gebe juristische Bedenken, heißt es.

Die Redakteure selbst wollen ohnehin einen anderen Weg als Geschäftsführer und Chefredakteur Josef Depenbrock gehen: Sie wollen selbst Antrag auf Akteneinsicht stellen. Thomas Rogalla, Sprecher des Redaktionsausschusses, regte zudem die Berufung eines externen "Ehrenrats" aus Sachverständigen an, der Empfehlungen abgeben soll.

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