Berliner Stadtschloss:So wird das nie was

Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses soll ein Jahrhundertprojekt werden - doch es droht die Realisierung halbherziger Lösungen. Ein Intendant und ein Baumeister werden schmerzlich vermisst.

Jens Bisky

Man hat dem Humboldt-Forum hinter barocken Fassaden allerlei symbolische Bedeutung zugesprochen; hat den Berliner Schlossplatz zum Identifikationsort des vereinigten Landes erklärt. Gegner wie Befürworter des Vorhabens waren um große Worte selten verlegen.

Berliner Stadtschloss: Die Computergrafik zeigt den geplanten Neubau des Berliner Schlosses: 2010 soll mit dem Bau begonnen, 552 Millionen Euro dürfen ausgegeben werden. Die Vorbereitungen wirken allerdings seltsam halbherzig.

Die Computergrafik zeigt den geplanten Neubau des Berliner Schlosses: 2010 soll mit dem Bau begonnen, 552 Millionen Euro dürfen ausgegeben werden. Die Vorbereitungen wirken allerdings seltsam halbherzig.

(Foto: Foto: ddp/'Foerderverein Berliner Schloss e.V./eldaco, Rostock")

Ende November werden die Preisträger des Architektenwettbewerbs bekanntgegeben, 2010 soll mit dem Bau begonnen, 552 Millionen Euro dürfen ausgegeben werden. Es handele sich um ein "museales Jahrhundertprojekt", schrieb Hermann Parzinger, der Präsident der Preußenstiftung vor kurzem. Dies stimmt wohl. Viel hat man sich vorgenommen. Der Rekonstruktion des Äußeren entspricht im Inneren ein Wunsch zum großen Durchbruch, zur Gestaltung einer Kulturlandschaft für das 21. Jahrhundert.

So weit die Absicht. Verglichen damit wirken die Vorbereitungen seltsam halbherzig, als schrecke man dann doch vor der Ungeheuerlichkeit der eigenen Zwecke zurück.

Leidenschaft allein reicht nicht aus

Da trifft es sich gut, dass ein leidenschaftlicher Kritiker des Schlossneubaus, der Architekt Philipp Oswalt, in diesen Tagen ein Informationsportal eröffnet hat: www.schlossdebatte.de, eine Plattform für alle, die es gern genau wissen wollen. Neben mancher pseudokritischen Phrase stehen immerhin die richtigen Fragen: Was taugt das Nutzungskonzept? Wie kann die Qualität der Fassaden garantiert werden?

Es sagt viel über das Humboldt-Forum, dass es einen aktuellen, der Größe des Projekts angemessenen Auftritt im Internet nicht gibt.

Jede der beteiligten Behörden und Einrichtungen sowie der Verein der Schlossfreunde informieren für sich. Zwar pflegt das Hermann-von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik eine eigene Seite (www.humboldt-forum.de), aber über den Stand der Planungen erfährt man hier arg wenig.

Wie soll es auch anders sein? Jeder der künftigen Nutzer, sei es die Berliner Landesbibliothek, die Humboldt-Universität oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat mit alltäglichen Geschäften ausreichend zu tun.

Dass Leidenschaft allein auf die Dauer nicht ausreicht, haben die Jahre des intellektuellen Stillstands zwischen dem Bundestagsbeschluss zur Rekonstruktion und der Ausschreibung des Wettbewerbs gezeigt. Und wer vertritt eigentlich die Interessen des Humboldt-Forums als Gesamtheit gegenüber den Museen der Preußenstiftung, der Bibliothek und der Universität?

Philipp Oswalt fordert dazu auf, dem Politikbetrieb, nachdem er die Finanzierung gesichert hat, das Unternehmen zu entreißen und es "unabhängigen kulturellen Akteuren"zu übertragen.

Gegen diese Wohnküchenromantik wäre vielmehr Professionalisierung zu verlangen. Das Humboldt-Forum braucht schnellstmöglich einen eigenen Intendanten.

Irgendwann wird man ihn zwecks Bespielung der Agora ohnehin brauchen. Aber wichtiger als Vorträge, Filme und Musik im Jahr 2015 wäre jetzt die konzentrierte und ausschließliche Arbeit am Nutzungskonzept - eine wirkliche Integration der Teile, statt einer bloßen Aufteilung der Stockwerke.

Einen Intendanten einzusetzen und mit einem kleinen eigenen Etat auszustatten, ist gewiss schwierig. Keine Institution verzichtet gern auf Einfluss und Entscheidungsmacht. Tut man es allerdings nicht, so wird die Idee des Humboldt-Forums den Geruch nie loswerden, eine Tarnadresse für die Interessen der Preußenstiftung zu sein, eine Verlegenheitslösung.

Wer gestaltet die Fassaden?

Aberwitzig unbestimmt sind bisher auch die Pläne zur Fassadenrekonstruktion. 80 Millionen Euro sollen durch private Spenden aufgebracht werden. 63,4 Millionen fehlen noch, heißt es beim Förderverein Berliner Schloss e.V.

Was aber geschieht, wenn die Summe nicht rechtzeitig zur Verfügung steht? Die Schlossfreunde um Wilhelm von Boddien kooperieren mit dem Architektenbüro Stuhlemmer, das mit der Kommandantur Unter den Linden überzeugend demonstriert hat, dass Rekonstruktionen auch gründlich danebengehen können.

Schlüters Fassaden waren erheblich anspruchsvoller, sein plastischer Schmuck war von anderer Qualität als die Terrakotta-Adler auf dem Dach der Kommandantur.

Gibt es überhaupt Steinbildhauer in ausreichender Zahl, um in kurzer Zeit das barocke Meisterwerk wieder erstehen zu lassen? Wohl kaum, erklärt in einem Interview auf schlossedebatte.de der Restaurator und Experte für bildhauerische Rekonstruktion Andreas Hoferick. Für ordentliche Arbeit sei eine Werkstatt mit Hunderten Leuten erforderlich.

Auf keinen Fall aber kann man einem privaten Verein die Verantwortung für die Rekonstruktion übertragen. Es bräuchte, nach dem Vorbild der Dombauhütten, einen Schlossbaumeister, der mit und neben dem Architekten arbeitet und die Fassaden über die Jahre, die dazu nötig sind, mit Sorgfalt, handwerklicher Kennerschaft und kunsthistorischem Gespür begleitet.

Ein Jahrhundertprojekt? Eine einmalige Gelegenheit? Möglicherweise. Soll die Chance nicht verschenkt, das Geld nicht für zweitbeste oder drittklassige Lösungen verschleudert werden, bräuchte das Humboldt-Forum endlich eine eigene Infrastruktur: einen Intendanten und einen Baumeister. Die Ergebnisse des Wettbewerbs werden dann schon ausreichend Überraschungen bereiten und Streit provozieren.

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