Berlinale: Ghostwriter:Fratzen der Angst

Das Heim, das zum Gefängnis wird: In seinem Thriller "Ghostwriter" mit Pierce Brosnan und Kim Cattrall spiegelt sich Roman Polanski selbst.

Susan Vahabzadeh

Das Heim, das keinen Schutz mehr bietet, sondern zum Gefängnis geworden ist; ein Raum, der noch zur Abschirmung der feindlichen Umwelt dient, aber selbst feindlich wird - das sind Elemente des Schreckens, die Roman Polanski in seinen Filmen mehrfach verwendet hat.

Berlinale: Ghostwriter: Pierce Brosnan spielt Adam Lang, den britischen Ex-Premier, dessen Ghostwriter unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist - ein neuer muss her. Im Hintergrund: Olivia Williams und Kim Cattrall.

Pierce Brosnan spielt Adam Lang, den britischen Ex-Premier, dessen Ghostwriter unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist - ein neuer muss her. Im Hintergrund: Olivia Williams und Kim Cattrall.

(Foto: Foto: Kinowelt)

In "Ekel" (1965) verschanzt sich Catherine Deneuve im Appartement ihrer Schwester; in "Rosemary's Baby" (1968) stellt Mia Farrow fest, dass das Dakota Building das Tor zur Hölle ist. Und dann ist da natürlich noch "Der Mieter" (1976), wo Polanski selbst in der Falle sitzt, einem gruseligen Appartement in Paris, und nach und nach zu der suizidalen Frau mutiert, die vorher dort gewohnt hat. Die Erinnerungen an die Kindheit im Ghetto, die Angst und ihre bösen Fratzen spuken durch Polanskis ganzes Werk.

Es ist also keine Verschwörung des Schicksals, wenn dieses Motiv wieder auftaucht in seinem neuen Film, der am Freitag auf der Berlinale Premiere hat, "Der Ghostwriter", nach dem Roman von Robert Harris.

Die Geschichte handelt in weiten Teilen von Menschen, die in einem Ferienhaus eingesperrt sind; die Postproduktion zu seinem Film hat Polanski nach seiner Verhaftung in Zürich im September 2009 wegen eines Missbrauchsfalls in den USA 1977 unter Hausarrest in seinem Chalet in der Schweiz absolviert - in ein Ferienhaus eingesperrt. Diese Analogie ist aber wohl kaum göttlicher Bosheit geschuldet, der klaustrophobe Aspekt der Geschichte wird ihn von vornherein gereizt haben.

Wie nah die Erzählung ihm kommen würde, das kann Polanski allerdings bestenfalls geahnt haben, als er den Entschluss fasste, den "Ghost", so heißt Harris' Buch, zu verfilmen.

Harris hatte vorher "Pompeji"geschrieben und den Weltkriegs-Krimi "Enigma" - und für sein jüngstes Buch, das erst Ende 2007 erschien und das sich Polanski sofort schnappte, hat er sich die Gegenwart vorgenommen, den Zeitgenossen Tony Blair.

Harris' Held Adam Lang ist der britische Ex-Premier, im Film verkörpert von Pierce Brosnan (Foto: Kinowelt, im Hintergrund Olivia Williams). Der Ghostwriter, der an Langs Memoiren gearbeitet hatte, ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, ein neuer muss her, bei Polanski gespielt von Ewan McGregor. Und der trifft nun auf diesen gefangenen, gefallenen Engel: einen Mann, der wegen seiner Lügen auf dem Weg in den Irak-Krieg zum Lieblingsfeind der Briten geworden ist.

Allein die amerikanische Regierung hält ihm noch die Treue, er ist offensichtlich in dunkelste amerikanische Machenschaften verstrickt, nicht viel mehr als eine Marionette. In Den Haag bereiten sie die Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen ihn vor, und so ist er im Exil auf Martha's Vineyard gelandet - von Sicherheitsleuten bewacht und von feindlich gesinnten Demonstranten und schlecht gelaunter Presse belagert.

Noch ein Reiz für Polanski: die Analogie zu seiner eigenen eingeschränkten Reisefreiheit - seit seiner Flucht 1977 würde Polanski bei der Einreise in die USA und in England verhaftet werden; in die Schweiz allerdings war der französische Staatsbürger Polanski - deswegen das Chalet - immer unbehelligt gefahren. In diesem Chalet ist er nun gefangen, von der Welt abgeschirmt, von der Schweizer Polizei und Fotografen belagert . . .

Da enden dann die Überschneidungen mit der Biographie des Regisseurs. Amerikanischen Interessen hat sich Polanski sicher nicht freiwillig zur Verfügung gestellt. Für Amerika ist die Adam-Lang-Geschichte, die sich Harris in seiner Enttäuschung über Blair ausgedacht hat, jedenfalls kein Kompliment - aber Polanski hatte wahrscheinlich ohnehin keines mehr auf den Lippen, auch bevor er verhaftet wurde.

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