Zu den Errungenschaften des Jahres 2020 gehört ein neues Wort: Präsenzfestival. Das ist eines, bei dem Zuschauer und Gäste tatsächlich anwesend sind und sich in einem Kinosaal zusammenfinden - bis zu Beginn der Corona-Pandemie war das die selbstverständliche Grundvoraussetzung. Dass auch die 71. Berlinale im Februar 2021 nicht wie geplant stattfinden kann, war seit Wochen klar.
Nun hat sich die Festivalleitung für einen Ablauf entschieden - das Festival wird zweigeteilt, in ein virtuelles Branchen-Event Anfang März und ein Präsenzfestival Anfang Juni. "Als Antwort auf die Zeit, in der wir gerade leben, haben wir beschlossen, unser Angebot in zwei unterschiedliche und doch zusammenhängende Veranstaltungen aufzuteilen und damit den Auftrag der Berlinale zu erfüllen", sagt der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian in einem Statement.
"Während im März die Filmindustrie (online) versammelt sein wird und unsere Auswahl unterstützen und ins Licht rücken wird, kann unser Publikum im Sommer - wie ein Neustart, 70 Jahre nach der ersten Ausgabe des Festivals - in Kinos und unter freiem Himmel die Filmemacherinnen und Filmemacher und ihre Teams feiern. Damit erhält es die Gelegenheit, die unterschiedlichen Sektionen und Profile des Festivals zu erfahren, die Filme des internationalen Wettbewerbs zu sehen und die Gewinnerinnen und Gewinner des Goldenen und der Silbernen Bären in einer heiteren Atmosphäre zu feiern".
Anders als die Festivals in Cannes und Venedig ist die Berlinale ein echtes Publikumsfestival, für das jeder Karten kaufen kann. Dieses Publikum soll also im Juni zu seinem Recht kommen. Ursprünglich war die Festival-Eröffnung für den 11. Februar geplant, aber es ist längst unvorstellbar, dass bis dahin ein Ereignis mit vollen Kinosälen möglich ist. Im Februar 2020 war die Berlinale das letzte Festival, das noch wie üblich stattfand, mit mehr als 18 000 Branchengästen und fast 480 000 Kinobesuchen.
Im März sollen nun virtuelle Vorführungen nur für die Filmindustrie stattfinden und der Europäische Filmmarkt, ebenfalls virtuell . "Es gibt ein großes Bedürfnis nach physischen Begegnungsmöglichkeiten, sagt Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek. "Aber die aktuelle Situation lässt das im Februar nicht zu. Zugleich ist es wichtig, der Filmindustrie im ersten Quartal einen Markt zu bieten. Mit der Veränderung des Festivalformats 2021 haben wir die Möglichkeit, die Gesundheit aller Gäste zu schützen und den Neustart der Kinobranche zu unterstützen."
Der Markt ist Anfang des Jahres eine wichtige Filmbörse für die Branche, eine Verlegung auf einen späteren Termin wäre für die Industrie zu spät, sagen Branchenkenner. Er könnte dann auch zu nah dran sein am Festival von Cannes, das ebenfalls einen Markt hat. Auch im Fall von Cannes ist allerdings völlig offen, ob das Festival im Mai stattfinden kann oder verlegt werden muss.
Einen Wettbewerb wird es auf jeden Fall geben, schon im März, und diese Filme werden dann im Juni vor Publikum gezeigt. "Das genaue Prozedere für die Bärenvergabe und den Wettbewerb wird noch erarbeitet", heißt es seitens des Festivals. Immerhin steht das Thema der Retrospektive schon fest: "No Angels" wird den US-Schauspielerinnen Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard gewidmet sein.