Berlinale 2011:Daneben sein ist alles

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Während sich die Stars von Welt am Vorabend der Berlinale-Eröffnung hinter edle Gardinen ducken, laufen sich deutsche Schauspieler für die Glamour-Sause warm: Tom Schilling singt, auch ohne Text, und Meret Becker lässt die Säge wimmern.

Lena Jakat, Berlin

Nein, es ist nicht Jeff Bridges, der da im Schummerlicht am Keyboard sitzt. Auch wenn der Mann mit den halblangen grauen Haaren, dem Schnauzer und der Augenklappe auf den ersten Blick tatsächlich so aussieht wie Bridges als Rooster Cogburn in True Grit.

Tom Schilling darf als Erster mit auf die Bühne - und beteuert, den Text gelernt zu haben. (Foto: Lena Jakat)

Es ist der Abend bevor der Oscar-Favorit die Berlinale eröffnet und schon hat sich das Star-Fieber ganz unauffällig in die Stadt geschlichen. Nicht ganz so unbemerkt schaffte es der echte Jeff Bridges ins feine Restaurant Borchardt, wo er mit den Coen-Brüdern und Festivaldirektor Dieter Kosslick diniert und wo unter roten Markisen die Autogrammjäger lungern.

Der falsche Jeff Bridges, der eigentlich Nikko Weidemann heißt, sitzt in einem Klub am anderen Ende von Berlin-Mitte auf der Bühne. Eigentlich soll die Veranstaltung ein Geheimtipp sein, doch der Raum mit der Stofftapete und den roten Lampen quillt über vor Menschen auf Stühlen, Tischen, Fensterbrettern. Sie sind gekommen, um "Ein Hit ist ein Hit" zu sehen, eine Show, die neben einer Collage aus Musik, Text und Film ein paar hochrangige Überraschungsgäste versprochen hat. Schon zum zwölften Mal schwadronieren Weidemann und seine Bandkollegen, Moderator Adrian Kennedy und die Musikautoren Lothar Berndorff und Tobias Friedrich, singend und lesend über Filmmusik, von James Bond bis Love Story, von der Reifeprüfung bis Pulp Fiction.

Im vergangenen Jahr haben hier Heike Makatsch und ihr Freund, der Tomte-Mann Max Schröder, gesungen, Tom Schilling und Jessica Schwarz Somethin' Stupid gesäuselt. Und auch diesmal werden die hungrigen Festivalpilger nicht enttäuscht: Tom Schilling ist wieder da, er darf als Erster mit auf die Bühne. Obwohl er beteuert, den Text gelernt zu haben, steigt er bei Mrs. Robinson erst mal aus; auch beweist er, dass nicht alle für Leinwand und Konzertbühne gleichermaßen geschaffen sind. Das Publikum stört sich daran nicht; beim Refrain kann Tom wieder mitsingen, und alle anderen im Saal auch.

Es muss nicht alles große Kunst sein, an diesem Abend im Kaffee Burger. Es geht um ein entspanntes Warmlaufen für die große Glamour-Sause und so scherzt und lacht das Publikum gemeinsam mit Schauspielern, die nicht mit Filmen auf der Berlinale vertreten sind, und die insgeheim vielleicht auch lieber bei Kaviar oder sowas Ähnlichem mit Kosslick zu Tisch sitzen würden. Es mag nicht der Berlinale-Palast sein, aber der Applaus stimmt und die Kritiker sind rar.

So wird auch Meret Becker ausdauernd beklatscht. Sie kommt zu Blue Velvet auf die Bühne. Berühmt wurde der Song von Bobby Vinton 1986 mit dem gleichnamigen Film, auf dessen Plakat sich übrigens die Vorsitzende der diesjährigen Berlinale-Jury, Isabella Rossellini, höchstselbst räkelte. Meret Becker räkelt sich nicht, sondern betört das Publikum mit einem schaurigen Wimmern. Sie entlockt es Frédéric, ihrer Säge.

Die meisten abgedrehten Filmminuten hatte der Stargast vorzuweisen, der einen Song aus Kill Bill zum Besten gibt: Seit 25 Jahren ist Sybille Waury die Tanja Schildknecht aus der Lindenstraße, an diesem Abend aber ist sie Cher oder wahlweise Nancy Sinatra im braunen Matrosenkleidchen. In der ungewohnten Rolle überzeugt die Berlinerin nicht weniger als in der Rolle als lesbische Mutter in der Vorabendserie.

Zwischen Stareinlagen, Fetzen aus der Musikgeschichte und alten Filmszenen, die über eine Leinwand fliegen, nimmt Moderator Kennedy, der sonst für die Deutsche Welle arbeitet, immer wieder das Handy und tippt immer wieder die gleiche, ganz besondere, Nummer: die von Kosslicks Assistentin. Die Hoffnung: ein kurzes Live-Gespräch mit dem Mann, der in den nächsten zehn Tagen Berlin regieren wird. Es klingelt und klingelt und klingelt. Keine Assistentin und schon gar kein Kosslick. Dann die automatische Ansage: "Bitte ruf mich gleich noch mal an, ich hör die Mailbox nicht." Für den AB im Borchardt ist die Berlinale an diesem Abend schon in vollem Gange.

Die Gäste im Kaffee Burger freuen sich derweil mit dem unechten Jeff Bridges auf den echten. Am Donnerstagabend wird er über den roten Teppich schreiten.

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