Berlinale 2011:Das Glitzern der anderen

Auf der Berlinale geht es natürlich nur um passionierte Wahrheitsfindung in Sachen Filmkunst. Die Nachricht, dass Madonna in Berlin tanzen ging, ist deshalb völlig nebensächlich. Oder?

Tobias Kniebe

Passionierte Wahrheitsfindung in Sachen Filmkunst, kühle Analyse des Kinogeschäfts - darum geht es in diesem Teil der Zeitung. Vom glitzernden Drumherum lassen wir uns selbstverständlich nicht blenden. Die Nachricht zum Beispiel, dass Madonna zu einem geheimen Kurzbesuch in Berlin war, im "Soho House" eine Suite mit Blick auf den Alexanderplatz bezog und bis tief in die Nacht im "Asphalt Club" feierte - das alles ist hier nur aus einem Grund von Interesse: Offenbar hat sie internationalen Filmeinkäufern vier Minuten ihres zweiten Films "W. E." gezeigt.

61st Berlin Film Festival - Madonna On Berlin Visit To Promote 'E.W.'

Madonna soll bei der Berlinale internationalen Filmeinkäufern vier Minuten ihres Films "W. E." gezeigt haben. Das ist aber auch schon der einzige Grund, aus dem man sich hier für sie interessieren darf.

(Foto: Getty Images)

Darin soll es um die Liebe zwischen dem englischen König Edward VIII. und der Bürgerlichen Wallis Simpson gehen. Als historische Figuren können diese beiden dringend ein wenig positive Propaganda gebrauchen, denn im aktuellen Berlinalefilm und Oscarfavoriten "The King's Speech" wird Edward als arroganter Schwächling gezeigt und Wallis Simpson als hochmanipulatives Biest. Madonna wird dieses unfaire Bild ohne Zweifel zurechtrücken. Auch die Tatsache, dass die SZ das "Soho House" letzte Woche als streng bewachten "Schnösel-Club" bezeichnete, wo nur "fürchterlich wichtige Leute" reindürfen, hat keinesfalls etwas mit Neid und Enttäuschung zu tun.

Bei der Einladung des Schauspielers Daniel Brühl zur Eröffnung seiner eigenen Tapas-Bar ging es ebenfalls um knallharte Recherche. Dass der Laden "Bar Raval" heißt, in der Lübbener Straße liegt und tatsächlich phantastische Tapas serviert, hat uns nicht weiter zu interessieren - wohl aber das Auftauchen des Bestsellerautors Daniel Kehlmann. Gleich drei seiner Romane sind derzeit in verschiedenen Stadien der Verfilmung, also müssen sich drei Regisseure um ihn streiten. Detlev Buck hat da eindeutig die Nase vorn, er ließ den Schriftsteller keine Sekunde aus den Augen. Buck wird "Die Vermessung der Welt" ins Kino bringen.

Neben Jessica Schwarz, Benno Fürmann und zahlreichen weiteren Filmschaffenden tauchte auch der Regisseur Florian Gallenberger dort auf, der natürlich zu seinem Milli-Vanilli-Projekt befragt werden musste. Er will die Saga der beiden schwarzen Männermodels, die von Frank Farian mit falschen Stimmen zur Pop-Sensation aufgebaut, im Jahr 1990 aber enttarnt und geächtet wurden, nach einem amerikanischen Drehbuch verfilmen. Gallenberger: "Die Musik ist natürlich fürchterlich, die hab ich schon mit sechzehn gehasst. Es steckt aber eine echte Tragik in der Geschichte."

Zur Abwechslung war am nächsten Abend ein ruhiges Bier nötig, mit einem alten Freund und Kollegen. Als Treffpunkt schlug er das "Soho House" vor, wo er selbstverständlich Mitglied sei. Was es da bitte zu lachen gebe? Nichts, es war nur die Aufregung - und der Gedanke an Madonna. Madonna war dann zwar nicht zu sehen, dafür aber eine schummrige Bar mit Rundblick auf die Stadt und zwei Kaminfeuern, in der die Leute weder fürchterlich wichtig noch schnöselig aussahen, sondern demonstrativ normal. Hier erfuhr ich dann auch das wahre Geheimnis dieses sagenumwobenen "Members Only"-Clubs: Die Mitgliedschaft kostet im Monat exakt dasselbe wie mein Münchner Fitnessstudio, das ich seit einem Jahr nicht mehr von innen gesehen habe. Verdammt. Irgendwas machen die anders in Berlin.

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