Berlin: "Topographie des Terrors":Eigenartig idyllisch

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Von hier aus wurde der Mord an den europäischen Juden organisiert - das neue Ausstellungsgebäude in Berlin kontert mit Zurückhaltung. Heute ist Richtfest.

Jens Bisky

Der niedrige Kubus fällt kaum auf, fast wirkt er demütig zwischen den wuchtigen Solitären vergangener Zeiten. Der nachempfundenen Renaissance des Martin-Gropius-Baus wie des einstigen Preußischen Landtags, dem Monumentalismus des Finanzministeriums und dem erhaltenen Stück der Berliner Mauer setzt das Ausstellungsgebäude der "Topographie des Terrors" nichts als Zurückhaltung entgegen. Dank dieser Zurücknahme, verbunden mit dem Versprechen gediegener Funktionalität, haben Ursula Wilms und der Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann im Januar 2006 den Wettbewerb für die "Topographie des Terrors" gewonnen. An diesem Montag wird Richtfest gefeiert. Über den Stand der Dinge ließen sich die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, und der Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee während eines Rundgangs am Sonntagnachmittag vom Stiftungsdirektor, Andreas Nachama, informieren.

Geschichte im Freien: Zur Zeit informieren Schautafeln über die NS-Vergangenheit des Berliner Grundstücks. 2010 soll das Ausstellungsgebäude eröffnet werden. (Foto: Foto: ddp)

Auch ihnen fiel sofort auf, was jeden Besucher zu irritieren vermag: Das Gelände wirkt auf eigenartige Weise idyllisch, eine grüne Oase, die wenig davon verrät, dass sich hier die Terrorzentrale des NS-Staates befand. In der Prinz-Albrechtstraße 8 hatte sich die Zentrale der Geheimen Staatspolizei etabliert, 1939 kam das Reichssicherheitshauptamt dazu. Im benachbarten Hotel Prinz Albrecht residierte die Reichsführung SS; das Prinz-Albrecht-Palais, Wilhelmstraße 102, hatte der Sicherheitsdienst der SS bezogen. Von hier aus wurde der Mord an den europäischen Juden organisiert, hierher berichteten die "Einsatzgruppen" über ihre Aktionen im Osten. Tausende wurden im "Hausgefängnis" der Gestapo gefoltert.

Nach Kriegsende riss man die Gebäude ab, planierte das Gelände, das inzwischen direkt an der Zonengrenze lag, und überließ es einer Bauschuttverwertungsfirma. Außerdem bot ein Autodrom Gelegenheit zum "Fahren ohne Führerschein". Ein reizendes Robinienwäldchen wuchs heran. Es hat jahrelangen Streits und der Zähigkeit von Bürgerinitiativen bedurft, bis der Ort der Täter allmählich wiederentdeckt wurde. 1992 gründete man die Stiftung "Topographie des Terrors", Peter Zumthor, der Poet unter den zeitgenössischen Architekten, gewann den Wettbewerb für das Dokumentationszentrum.

Wie Peter Eisenman beim Holocaust-Mahnmal und Daniel Libeskind für das Jüdische Museum fand Zumthor für die "Topographie" eine eigene architektonische Sprache. Allerdings erwies sich sein Entwurf als unausführbar. Explodierende Baukosten und Dauerstreit drohten die Stiftung arbeitsunfähig zu machen. Die Trennung von Zumthor und der neue Wettbewerb kamen da einem Befreiungsschlag gleich.

Generation des Unbedingten

Für 19 Millionen Euro, aufgebracht von Bund und Land, entsteht nun das neue Dokumentationszentrum. Der flache, quadratische Bau mit einem quadratischen Innenhof wird Raum für Ausstellungen und Seminare bieten und auch Platz für die etwa 20000 Bände umfassende Bibliothek. Im jetzigen Zustand wirkt das Gebäude so licht wie schlicht, vor allem aber ist das Versprechen der Transparenz von Innen nach Außen eingehalten worden: Man schaut stets auf das Gelände, um dessen Geschichte es geht.

Nachdem lange über Entwürfe und Kosten gestritten wurde, ist es seit 2006 stiller um die Stiftung geworden. Ihre ruhige Arbeit ist äußerst erfolgreich. Inzwischen zählt man 500000 Besucher jährlich. Die meisten von ihnen studieren geduldig die langen Texte auf den zur Zeit am Wäldchen aufgestellten Tafeln. Im neuen Gebäude werden 800 Quadratmeter für die Dauerausstellung zur Verfügung stehen, 220 für Wechselausstellungen, 15 Stationen soll der Rundgang auf dem Gelände umfassen.

Nachama will zeigen, wie in 120 Tagen aus einer Noch-Demokratie ein Führerstaat wurde; Informationen über die Täter aus der "Generation des Unbedingten" wie über die Häftlinge wird man ebenso erwarten können. Eine öffentliche Diskussion über die kommende Ausstellung steht noch aus. In einem Jahr, am 9. Mai 2010, soll das Dokumentationszentrum eröffnet werden.

© SZ vom 11.5.2009/bey/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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