Jan Böhmermann und das Berliner Haus der Kulturen der Welt haben, nach heftigen Protesten, das Konzert des Rappers Chefket, das für den Abend des 7. Oktobers geplant war, abgesagt – es bleibt aber die Frage, warum Chefket überhaupt eingeladen wurde. Und warum Böhmermann, als er am Samstag mit den Antisemitismusvorwürfen gegen Chefket konfrontiert wurde, erst einmal versuchte, sich mit ein paar Witzen zu verteidigen.
Es war der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der, quasi als Mitveranstalter von Böhmermanns Ausstellung „Die Möglichkeit der Unvernunft“, dem Rapper vorgeworfen hatte, das Existenzrecht des Staats Israel zu verleugnen. Chefket sollte, im Rahmenprogramm der Ausstellung, im Haus der Kulturen der Welt (HKW) auftreten, ausgerechnet am 7. Oktober, dem zweiten Jahrestag des Massakers an mehr als tausend Juden.
Böhmermann antwortete: „Wenn hier das Existenzrecht Israels geleugnet wird oder der Holocaust, dann schnappe ich mir Wolfram Weimer, hake mich ein und boxe die von der Bühne.“ Was lustig und selbstbewusst klingen sollte. Und sich des eigenen Widersinns offenbar nicht bewusst war: Erst wenn jemand das Existenzrecht Israels leugnet auf der Bühne des HKW, kommt Böhmermann und fängt zu boxen an.
Wer allerdings, weil er vielleicht den Namen nie gehört hatte, Chefket auf Youtube suchte oder bei Instagram anklickte, musste nicht gerade aufwendig recherchieren, um zu sehen, dass der Musiker zwei Lieblings-T-Shirts hat. Das eine hat Weiß als Grundfarbe, das andere Schwarz; auf beiden steht groß „Palestine“, und über der rechten Brust ist die Karte des Sehnsuchtsstaats zu sehen: Palästina, vom Fluss bis zum Meer; für Israel ist hier kein Platz. Was Böhmermann zu unterbinden versprach, war also längst geschehen.
Nicht wir haben das Konzert gecancelt, soll die Erklärung wohl suggerieren
Welcher konzeptionelle Gedanke überhaupt hinter der Einladung gesteckt hat, ist nicht zu erkennen. Was dann doch ganz gut zu Böhmermanns Ausstellung passt, in der es, neben ein paar sehr schönen Ideen, auch viel Indifferenz zu sehen und zu erleben gibt. Eine Wurst ist das Signet; die symbolisiert offensichtlich auch eine gewisse Wurstigkeit.
Es hat, warum auch immer, zwei Tage gedauert, bis auf den Witz mit dem Boxen eine einigermaßen ernst gemeinte Erklärung folgte. Jetzt heißt es in einer Mitteilung der Veranstalter: „Wir sehen und hören den Einspruch insbesondere auch von jüdischer Seite gegen den Konzertabend am 7. Oktober 2025. Diesen Einspruch nehmen wir ernst.“ Was im Grunde die nächste Instinktlosigkeit ist: Jemand hat Einspruch erhoben, dem wurde stattgegeben. Nicht wir haben das Konzert gecancelt; die Juden waren es.
Getragen wird das Haus der Kulturen der Welt vom Bund; der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist der Kulturstaatsminister, jener Wolfram Weimer also, der jetzt den Intendanten des Hauses, den Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, aufgefordert hat, „Sorge dafür zu tragen, dass es nicht zu antisemitischen Äußerungen in jedweder Form kommt“. Für Judenfeindlichkeit, so Weimer weiter, habe er kein Verständnis, keinerlei Toleranz.
Gerade war das alles noch lustig; jetzt klingen Böhmermann und die Leute vom HKW zerknirscht. Man teile die Sorge wegen des zunehmenden Antisemitismus und der rassistisch motivierten Gewalt in Deutschland. Und halte gerade deshalb den künstlerischen Austausch für wichtig: „Unsere Arbeit und Hoffnung gilt daher weiterhin der Möglichkeit eines offenen Dialogs, in dem viele Standpunkte friedlich, gleichzeitig und in gegenseitigem Respekt Gehör finden können.“
Was auch immer das für Chefket und dessen Standpunkte heißen mag.

