Berlin:Knochenjobs

Die neue Koalition fordert die Offenlegung von Spitzengehältern in der Kultur. Was verdient ein Intendant, der auf der Bühne soziale Ungleichheit anprangert?

Von Peter Laudenbach

Der Koalitionsvertrag der neuen rot-rot-grünen Berliner Landesregierung enthält im Kapitel zur künftigen Kulturpolitik einigen Sprengstoff. Denn die Koalition setzt in der Kultur dezidiert nicht auf die Selbstherrlichkeit der Vorgängerregierung, sondern auf Transparenz: "Evaluationen, Ausschreibungen und Auswahlkommissionen sollten auch im Kulturbereich üblich werden."

Vom Eingriff in die Arbeit der Bühnen, wie manche Berliner Medien befürchteten, ist keine Rede, im Gegenteil. Der Koalitionsvertrag betont ausdrücklich die inhaltliche Unabhängigkeit und "künstlerische Gesamtverantwortung der Leitung der jeweiligen Einrichtung".

Der Koalitionsvertrag hat es bei den Vereinbarungen zur Kulturpolitik an mindestens zwei Punkten in sich. Der erste klingt vergleichsweise harmlos, könnte aber weitreichende Konsequenzen haben: Die Koalitionäre wollen die in der freien Szene üblichen prekären Arbeitsbedingungen "durch die Einführung von Mindesthonoraren in öffentlich geförderten Projekten" bekämpfen. Entsprechende Budgets sollen "als Kalkulationsgrundlage" der Projektförderung festgeschrieben werden.

Damit nimmt die Koalition erstmals eine Forderung von Theater-Aktivisten wie "Art but fair" auf - ein über Berlin hinausreichendes Signal. Das administrativ verordnete Ende der Selbstausbeutung bedeutet bei gleichbleibenden Mitteln allerdings, dass weniger Produktionen finanzierbar sind. Auch bei den großen Bühnen und Museen will man verstärkt auf Tariftreue pochen: "Prekäre Arbeit und Tarifflucht, zum Beispiel durch Outsourcing, sind nicht förderfähig." Das betrifft nicht nur die Praktikantenausbeutung, sondern zum Beispiel auch die an vielen Häusern outgesourcten Servicefunktionen - vom Foyerpersonal bis zur Reinigung.

Kostengünstiger, aber dafür umso konfliktträchtiger ist der zweite Punkt. Sollte die Berliner Kulturverwaltung ihn tatsächlich umsetzen, wird das Folgen für den gesamten öffentlich finanzierten Kulturbetrieb haben. Die Koalition will "analog zu anderen Landesbetrieben die Offenlegung der Vergütungen in Spitzenpositionen künstlerischer Institutionen" des Landes Berlin anstreben. Die Bezahlung der Museumsleiter, der Theater- und Opernintendanten soll transparent werden. Das ist bei öffentlich finanzierten Institutionen nur folgerichtig. Und es käme einem Tabubruch gleich.

Man wüsste ja schon gerne, was die Herren und wenigen Damen in den Intendantenbüros, die öffentlich gerne die soziale Ungleichheit beklagen, mit ihrer Kunst verdienen. Hoffentlich genug - ein Theater zu leiten, ist ein harter Job.

Bald wird sich womöglich eine Debatte um Obergrenzen für Intendantenlöhne drehen

Dass die Intendantengehälter bisher ein sorgsam gehütetes Geheimnis sind, könnte daran liegen, dass sie nicht immer bescheiden ausfallen. Wenn sie doch einmal öffentlich werden, wundert man sich - etwa als herauskam, dass sich die Stadt Frankfurt ihren sehr erfolgreichen Theaterintendanten Oliver Reese 220 000 Euro im Jahr kosten lässt.

Zum Vergleich: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller verdient rund 160 000 Euro im Jahr. Die von Rot-Rot-Grün angestrebte Gehaltstransparenz bei Spitzenämtern in Kultureinrichtungen könnte Neubesetzungen vakanter Stellen schwierig machen. Und sie wird heftige Debatten auslösen: Wie glaubwürdig ist zum Beispiel ein politisch engagierter Intendant, der sein eigenes Gehalt lieber geheim hält? Die Debatte um eine Untergrenze für Schauspielergagen könnte in den kommenden Jahren um eine Debatte über vertretbare Obergrenzen für Intendantengehälter ergänzt werden.

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