Brandenburger Tor:Aufkleber für ein grotesk verhunztes Wahrzeichen

Brandenburger Tor: Eine Anleitung zur Korrektur für das verhunzte BVG-Aufkleber vom Brandenburger Tor.

Eine Anleitung zur Korrektur für das verhunzte BVG-Aufkleber vom Brandenburger Tor.

(Foto: fixbrandenburgertor.com)

Zusammenhalt bei Stümperei: Warum jeder Fahrgast an den Fenstern der Berliner-U-Bahnzüge jetzt das Brandenburger Tor ausbessern kann.

Von Alex Rühle

Berlin ist eine seltsame Stadt, so großartig und weltläufig und gleichzeitig dermaßen dilettantisch und krähwinkelhaft. Letzter Beweis (nicht fürs Großartige, sondern fürs Dilettantische): die Aufkleber, mit denen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ihre U-Bahn-Waggons verklebt haben. Sie zeigen das Brandenburger Tor. Sagt jedenfalls die BVG. Wenn man aber genau hinschaut, kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Da stimmt ja gar nichts.

Ja, je länger man schaut, desto klarer wird einem: Wahrscheinlich war das Ganze von Anfang an als Zeitvertreib gedacht für all die Fahrgäste, die täglich stundenlang mit den U-Bahnen unterwegs sind. Finde die acht Fehler. Weil: Absichtlich kann man das doch unmöglich so grotesk verhunzen und dann auch noch öffentlich ausstellen.

Alle sechs Säulen sind falsch gezeichnet, mal zu kurz, mal zu breit, mal in sich verdreht. Wer länger hinschaut, wird sehkrank davon. Perspektivisch ist das ganze Tor missraten, als hätte es ein Sechsjähriger gemalt. Und da, wo auf dem echten Brandenburger Tor die Quadriga thront, gibt's hier nur ein Linienwirrwarr, das eher an zu lang gekochte Bandnudeln erinnert als an ein stolzes Viergespann.

"Wir können das besser. Nicht wir beide. Wir als Stadt."

Jetzt aber wieder die großartige Seite von Berlin. Plötzlich liegen da diese Sticker aus. An U-Bahnhöfen. Und in den Waggons der BVG, in denen die Menschen dazu verdammt sind, auf völlig verklebte Fenster zu schauen und sich fragen, wer auf die Idee gekommen sein mag, alle Scheiben mit dieser Brandenburger Torheit zu verschandeln. Die Aufkleber zeigen verschiedene Details des Tores. Genau in der Größe des BVG-Tores. Allerdings diesmal korrekt gezeichnet.

Das Ganze ist die Idee zweier Berliner Designer, die damit Hilfe zur Selbsthilfe bieten, auf dass die Berliner die verhunzte Sache jetzt selbst in die Hand nehmen mögen. Seither ist wieder Schönheit in der Welt, teilweise jedenfalls: Einige Waggons fahren schon mit ausgebesserter Säule oder erstmals erkennbarer Quadriga durch die Stadt.

Die beiden wollen damit nicht berühmt werden, im Gegenteil, es gibt nur die Homepage fixbrandenburgertor.com, ohne Impressum oder Kontaktadresse. Über Umwege sind sie telefonisch zu erreichen, klingen auch ausnehmend nett, aber nö, Namen, lass mal. "Wir sind nur zwei Designer, die zeigen wollten, dass wir das besser können. Nicht wir beide. Wir als Stadt."

Auf ihre Homepage haben sie unter das BVG-Gekrakel eine konkrete Skizze des Tores gestellt. Nicht als endgültige Lösung, sondern als Ermunterung: Schickt uns doch bitte eigene Vorschläge. Wer nicht zeichnen will, kann sich via WeTransfer die Aufkleber selbst runterladen, um so zumindest seine Bahn zu verschönern.

Die beiden sagen zwar, Urban Art sei das Ganze nicht, sie seien ja "keine Künstler, sondern Designer", aber von dem eleganten Projekt kann sich mancher Urban Artist eine verschönerte Scheibe abschneiden. Die BVG hat übrigens Humor bewiesen, indem sie über Twitter fragte, ob sie alle Sticker haben kann.

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