Berlin Art Week I:Hangar-Games

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Auf dem Flughafen Tempelhof findet bis Sonntag die Messe Art Berlin statt. Die Verkäufe sind gut, doch viele Galeristen vermissen Unterstützung durch die Stadt.

Von Kito Nedo

Eine graue Hüpfburg steht vor dem Hangar 5 des ehemaligen Flughafens Tempelhof. In seiner Widersprüchlichkeit passt das aufgeblasene Objekt der Wiener Künstlerin Selina Traun gut zur Umgebung der einschüchternden NS-Architektur des riesigen Gebäudes.

In zwei Hallen mit einer Deckenhöhe von zwanzig Metern findet an diesem Wochenende die dritte Ausgabe der Art Berlin statt, an der in diesem Jahr rund 110 Galerien teilnehmen. Als pneumatische Bühne dient die Hüpfburg während der Messetage für Aufführungen und Performances. Man kann sich aber in den Aufführungspausen nach stundenlanger Kunstbetrachtung auch einfach nur auf das wulstige Luftschloss legen und in den grauen Berliner Himmel schauen.

Auch Kunst-Unternehmen, die nicht dem Galerieprinzip folgen, haben hier ihren Platz

Die Art Berlin ist die Hauptattraktion der Art Week, mit der die Hauptstadt gegenwärtig den Start in die Herbstsaison feiert. Die Berliner Messe unterscheidet sich von den internationalen Blockbuster-Veranstaltungen wie in Basel, New York oder London. Sie trägt einen eher lokalen und spielerischen Charakter. Was nicht heißt, dass es hier nicht ums Geschäft geht. Im Gegenteil. Aber Berlin ist eben keine Geld-, sondern eine Künstlerstadt. Das kann man als Makel betrachten oder als Gewinn. Hier die richtige Balance zu finden, das ist die Herausforderung an die Messedirektorin Maike Cruse, die eine Profilierung der Art Berlin als "Messe für jüngere Positionen" und Entdeckungen verfolgt.

Nach der Eröffnung am Donnerstag war Cruse jedenfalls zufrieden. Das lag wohl auch unter anderem daran, dass die Messe in diesem Jahr zum ersten Mal von der Ankaufskommission der Bundeskunstsammlung besucht wurde. Es herrsche eine "ziemlich tolle Grundstimmung", und es gebe Verkäufe - auch solche, die nicht schon vor der Messe zwischen Galerien und Sammlern verabredet wurden.

Tatsächlich gibt es auf der noch bis zum Sonntag laufenden Art Berlin einiges zu entdecken, vor allem im Hangar 5, in den Kojen der "Special Projects". Dabei handelt es sich um zumeist monografische Schauen etwa vom beninischen Installationskünstler Georges Adéagbo (bei Barbara Wien), der polnischen Medienkünstlerin Agnieszka Polska (bei Żak Branicka), dem großen französischen Anti-Malerei-Maler Claude Viallat (bei Kajetan) oder der aus Norwegen stammenden Berliner Künstlerin Camilla Steinum, die sich mit Fragen der Kommunikation in Form von seltsam körperlich anrührenden Arrangements auseinandersetzt (bei Soy Capitán).

Am schlüssigsten wurde das Format von der Künstlerin Leda Bourgogne und dem Philosophen Marcus Steinweg genutzt, die auf dem Stand der Galerie BQ eine gemeinsam produzierte, baumartige Schrift-Leinwand-Installation zeigten, die an den Grund jeder künstlerischer Arbeit rührte: die Konfrontation mit der Leere.

Am Ende der Halle stößt man schließlich auf eine Art Paravent-Wand, den "Salon" für junge, hybride und nomadische Kunst-Unternehmen, die nicht in das klassische Bild einer Galerie passen und denen trotzdem (oder gerade deswegen) ein Forum gegeben werden soll. Hier steht etwa Scott Cameron Weaver, der auch als Kurator arbeitet und in Los Angeles seit dem vergangenen Sommer den kleinen Ausstellungsraum O-Town House betreibt. Aus Los Angeles hat Weaver eine schmale Bar-Installation mit dem Titel "Social Worker" mitgebracht. Entworfen wurde die Konstruktion von Adam Stamp, einem jungen Amerikaner, mit dem Weaver arbeitet. An der Wand hängen dazu schmale Magenta-Textbilder aus den Neunzigern. Die "Bumper Sticker" kommen aus dem Nachlass des 2006 mit 49 Jahren gestorbenen Baldessari-Schülers John Boskovich, für dessen lang verschüttetes Werk sich gerade wieder Interesse rührt, unter anderem von Seiten des Getty Research Institute.

Aus Paris war Marie Madec angereist, die den nomadischen Kunstraum "Sans Titre (2016)" mitbetreibt. Die Messe, auf der sie eine Installation des Künstlerduos Conny (Tanja Nis-Hansen und Niclas Riepshoff) präsentiert, sieht sie als "wichtige Institution", um sich international zu vernetzen.

Das spektakulärste Werk, der Fahnenfries "Nationalgalerie", steht nicht zum Verkauf

Das spektakulärste Kunstwerk auf der diesjährigen Messe steht jedoch gar nicht zum Verkauf. Vor gut zehn Jahren installierte der Berliner Künstler Daniel Knorr anlässlich der Berlin-Biennale das Dach von Mies van der Rohes klassisch-modernistischer Neuer Nationalgalerie als bunten Fahnenfries mit den Flaggen aller in Berlin ansässigen und aktiven Burschenschaften. Die Arbeit, die in der Zwischenzeit angesichts des politischen Rechtsrucks an Aktualität noch gewonnen hat, hängt nun auf 160 Meter Länge am Dach des Tempelhofer Hangars über dem Rollfeld, auf dem früher Nazis paradierten und Zwangsarbeiter aus Osteuropa in Baracken untergebracht waren, die hier in den Kriegsjahren Kampfflugzeuge montierten.

In diesem Jahr wurde "Nationalgalerie" (2008/2019) durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erworben, die auf der Messe auch eine Retrospektive mit Fotowerken und eine Installation des Konzeptkünstlers Thomas Locher aus der LBBW-Sammlung zeigt. Die Bank, die nach einer langjährigen Pause wieder Kunst kauft, stellt sich damit als einer der neuen Sponsoren der Messe vor. Auch in den kommenden Jahren will sie sich hier engagieren.

Viele beklagen die mangelnde Unterstützung junger Galerien durch die Stadt

Das erscheint umso wichtiger, da die Stadt Berlin eher unglücklich agiert. Die Vermarktung über die Dachveranstaltung Art Week Berlin scheint an den Bedürfnissen der meisten Galerien jedenfalls vorbeizugehen. In einem Interview mit dem Berliner Kunstmagazin Monopol kritisierte etwa der Galerist Johann König, dass die von der Stadt initiierte Art Week - unter anderem finanziert aus Geldern der Berliner Wirtschaftsförderung - dem Kunsthandel wenig nütze. Für die Unterstützung junger und kleiner Galerien fehle jede politische Initiative. "In anderen Städten wie Frankfurt, Wien, Madrid, Turin, Paris werden die lokalen Kunstmessen von der öffentlichen Hand ganz selbstverständlich unterstützt", erklärte König.

Mit dieser Kritik steht er nicht allein. "Es fehlt ein klares Statement von der Stadt", sagt etwa auch Judy Lybke von Eigen + Art. Eine gewisse Uneinigkeit ist aber auch bei den Galerien selbst zu spüren. Einige wichtige Aussteller, für die die Messe eigentlich ein Heimspiel sein müsste, haben verzichtet: Die Galerie Isabella Bortolozzi fehlt ebenso wie die Galerien Buchholz, Max Hetzler und Contemporary Fine Arts (CFA).

Dass sich in diesem Jahr auch Neugerriemschneider, die einst zum Gründerkreis der Vorgängerveranstaltung Abc - Art Berlin Contemporary gehörte, von der Messe zurückzog, sorgte hinter den Kulissen für Irritationen. Andere handeln da ganz pragmatisch. Der junge Galerist Noah Klink zum Beispiel. Die Messeteilnahme, sagt Kling, sei immer noch günstiger als eine teure Anzeige in Artforum, dem Zentralorgan der globalen Kunstszene.

Art Berlin. Flughafen Tempelhof. Bis Sonntag.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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