Raubkunst:"Es war falsch, diese Bronzen zu stehlen"

Raubkunst: Abba Isa Tijani, Generaldirektor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente der Nigeria, Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Annalena Baerbock gucken sich eine der Benin-Bronzen an.

Abba Isa Tijani, Generaldirektor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente der Nigeria, Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Annalena Baerbock gucken sich eine der Benin-Bronzen an.

(Foto: Annette Riedl/dpa)

Außenministerin Annalena Baerbock bringt nach Jahrzehnten der Verhandlungen 20 Benin-Bronzen zurück nach Nigeria. Deutschland arbeite damit "eines unserer dunkelsten Kapitel" auf.

Von Bernd Dörries

Der Thronhocker, so sehen es die Kunsthistoriker, stelle die Weltsicht der Könige von Benin dar. Eine in sich verschlungene Python verbindet die Welt der göttlichen Ordnung mit der Natur, mit einer Sitzfläche aus Sonne und Mond, Schwerter stehen für die Macht des Königs. Schmiedewerkzeuge, Amboss, Blasebalg, Zange und Hammer für die Zivilisation.

Als echte Zivilisation sahen die britischen Eroberer das Königreich Benin im heutigen Nigeria natürlich nicht, aber die Kunst gefiel ihnen so gut, dass sie 1897 Tausende der sogenannten Benin-Bronzen mit nach London nahmen, von wo sie in die ganze Welt verkauft wurden, etwa 1100 nach Deutschland, wo sie in 20 Museen ausgestellt waren: 20 Bronzen sind nun am Dienstag zurück nach Nigeria gekommen, nach Jahrzehnten der Verhandlungen. Außenministerin Annalena Baerbock ist selbst in die nigerianische Hauptstadt Abuja geflogen, die Benin-Bronzen im Gepäck. Die sind trotz ihres Namens nicht alle aus Kupfer, es ist ein Oberbegriff für Statuen, Reliefs und Gegenstände, die auch aus Holz und Leder sein können.

Raubkunst: Der Thronhocker aus der Ausstellung im Humboldt-Forum, bevor er für den Transport verpackt wurde.

Der Thronhocker aus der Ausstellung im Humboldt-Forum, bevor er für den Transport verpackt wurde.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

"Es war falsch, diese Bronzen zu stehlen. Es war falsch, diese Bronzen zu behalten. Und es ist mehr als überfällig, dass diese Bronzen in ihre Heimat zurückkommen", sagte Baerbock. Seit fast 100 Jahren bemüht sich der Staat Nigeria um die Rückgabe, schon 1935 hatte der damalige König Oba Akenzua II. in London um den Thronhocker gebeten, der nun zurückkommt. In England musste man sich erst einmal auf die Suche machen und wurde im Völkerkundemuseum Berlin fündig. Das lehnte eine Rückgabe rundheraus ab, machte aber einen Vorschlag: Man könne eine Kopie von zwei Thronhockern anfertigen, die Kosten von 1582 Mark hätten aber selbstverständlich die Nigerianer zu tragen. Und so kam es, die Kopien stehen seitdem im Museum von Benin-Stadt, ohne Hinweis, wo sich die Originale befinden.

In Deutschland befinden sich 1100 der Bronzen, viele können als Leihgaben bleiben

Die sind nun zu einem kleinen Teil zurück, wo sie künftig dauerhaft ausgestellt werden ist bisher nicht abschließend geklärt. Es wird wohl eine Wanderausstellung in Nigeria geplant, anschließend soll in Benin-Stadt ein neues Museum entstehen, vielleicht auch zwei. Seit fast 20 Jahren sprechen deutsche Kuratoren und Museumsdirektoren mit ihren nigerianischen Kollegen darüber, wie und wo die Schätze künftig lagern sollten, wem sie gehören. Manche auf deutscher Seite wollten die sofortige Rückgabe, manche waren zögerlich, behaupteten, sich Sorgen zu machen, wie die Bronzen in Nigeria künftig aufbewahrt werden könnten. Auch unter Vermittlung des damaligen Kulturbeauftragten des Auswärtigen Amtes, Andreas Görgen, entstand die Idee des Edo Museum of West African Art (EMOWAA), das mit einem deutschen Beitrag, aber auch Geld aus Nigeria gebaut und zu einer Attraktion in Benin-Stadt werden soll.

Raubkunst: Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, begleitete Baerbock nach Abuja.

Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, begleitete Baerbock nach Abuja.

(Foto: Annette Riedl/dpa)

Mittlerweile plant aber auch der heutige Oba sein eigenes Museum. Die Diskussion über die Museen spielte bei der Rückgabe keine große Rolle mehr. Der nigerianische Außenminister Geoffrey Onyeama sagte, man solle sich keine Sorgen machen, Nigeria habe auf die Masken jahrhundertelang ganz gut aufgepasst, bevor sie gestohlen wurden. Etwa 5000 Benin-Bronzen soll es weltweit geben, Deutschland hat lange mit der Rückgabe gebraucht, hatte aber international eher eine Vorreiterrolle, es hat als einziges Land die Rückgabe aller Bronzen beschlossen. Was aber nicht bedeutet, dass auch alle 1100 Bronzen aus Deutschland sofort zurückgehen, viele können als Leihgaben in Deutschland bleiben, wofür sich Baerbock bedankte. Deutschland könne sich so ein Bild über die nigerianische Kultur machen.

Die jetzige Rückgabe sei ein erster Schritt, weitere Bronzen würden folgen. "Es sind ja viele, viele Bronzen, die gestohlen worden sind. Deswegen werden auch viele Bronzen zurückkommen." Deutschland arbeite mit der Rückgabe "auch eines unserer dunkelsten Kapitel auf, nämlich unsere eigene koloniale Vergangenheit".

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