Blogs auf Werbe-Tour:Die bestochenen Unbestechlichen

Sie gelten als letztes Fähnlein der unbestechlichen Unabhängigkeit. Prima, denken sich die Marketing-Fuzzis. Dann bezahlen wird die Blogger eben, damit sie ein bisschen Schleichwerbung für unsere Produkte machen. Sie sind ja so glaubwürdig. Und so geschieht´s: Bezahlte "Meinung" erobert die Blogs.

Ingo Salmen

Das Verfahren ist verführerisch simpel: Ein Unternehmen möchte seinem Produkt Aufmerksamkeit verschaffen und bietet es für Werbung an - dann erwähnt es ein Freizeitschreiber oder preist es sogar in seinem Weblog und erhält dafür ein kleines Honorar. Als Übermittler des Angebots und Kontrolleur des Erfolgs schaltet sich eine Agentur dazwischen. Die Bezahlung erfolgt über das vom Internet-Auktionshaus Ebay bekannte System PayPal.

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Meinung - zum Greifen nah.

Ted Murphy sieht darin ¸¸Opportunities", Gelegenheiten - für Firmen und Blogger gleichermaßen. Murphy besitzt eine Werbeagentur in Florida und hat das System Pay Per Post erfunden: Zahle pro Eintrag. ¸¸Eindeutig" sei dieses Angebot ein Instrument, um Schleichwerbung in Blogs zu befördern, meint Christoph Neuberger, Kommunikationswissenschaftler aus Münster. Er befasst sich seit Jahren mit dem Internet und sagt, ein solches System sei ihm noch nicht untergekommen: ¸¸Das mit dieser Schamlosigkeit so offen anzubieten, halte ich für erstaunlich."

Die Blogosphäre selbst, die sich gern als Avantgarde eines neuen Bürgerjournalismus feiert, könnte am Ende als Verlierer dastehen. Sollten derartige Praktiken Schule machen, stände ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. ¸¸Schleichwerbung funktioniert immer dann, wenn Nutzer nicht damit rechnen", sagt Neuberger: ¸¸Bei den Bloggern erwartet man Unabhängigkeit und Neutralität." Ein Dienst wie Pay Per Post widerspreche aber ¸¸allen journalistischen Regeln". Und die setzten Nutzer auch bei nicht-professionellen Angeboten voraus.

Für den Wissenschaftler ist Pay Per Post ein weiteres Indiz für Professionalisierung und Kommerzialisierung. Zumindest die fleißigen Schreiber müssten sich fragen, wie sie von ihren Internettexten leben könnten. Nutzergebühren betrachtet Neuberger als aussichtslos, Kooperationen mit Medienfirmen wie die ¸¸Ehrensenf"-Kolumne auf Spiegel Online als Ausnahme. Somit wäre es nur konsequent, wenn sich die Blogosphäre Werbung und PR öffnen würde. Neuberger: ¸¸Wenn das transparent passiert, sehe ich darin kein großes Problem."

Zaghafte Versuche gibt es in Deutschland schon: Vier Blogger bekamen kürzlich ein Auto von Opel zur ausgiebigen Nutzung gestellt und berichteten unter astra.blogg.de darüber. Im Netz hat das eine heftige Diskussion entfacht. Die Szene ist alarmiert.

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