An der Seite des Festspielhauses in Bayreuth, in der Nähe der Bratwurst-Station, gibt es eine Lounge. In der findet die Pressekonferenz statt. Deren Aufbau ist ein bisschen drollig. Auf der einen Seite stehen die Journalisten, auf der anderen sitzt die Festspielleitung, dazwischen ist ein Absperrband gespannt, angesichts dessen man sich unweigerlich fragt, ob man die Leitung auch füttern dürfe. Dieser Punkt bleibt ungeklärt, sonst aber nicht allzu viel, was damit zusammen hängt, dass es gar nicht so viel zu klären gibt. Katharina Wagner, extrem entspannt wirkend angesichts der vollkommenen Absenz irgendwelcher Skandale bei den diesjährigen Festspielen, hat dennoch eine kleine Neuigkeit parat: in der "Lohengrin"-Neuinszenierung durch Yuval Sharon im kommenden Jahr wird Anja Harterosa die Partie der Elsa übernehmen. Dafür im Gespräch war mal Anna Netrebko gewesen. Nun kommt also eine supererfahrene Elsa, Christian Thielemann dirigiert, Waltraud Meier kehrt als Ortrud nach Bayreuth zurück.
Barrie Kosky, Regisseur der "Meistersinger" in diesem Jahr, berichtet, dass er vor Probenbeginn ein bisschen Angst vor Cosimas Geist hatte, lobt seine Hauptdarsteller und verspricht ein bisschen Lubitsch für Wagners "Erniedrigungscomedy". Aber: "Sie werden kein Hakenkreuz und keinen toten Juden sehen." Geschäftsführer Holger von Berg erklärt die kommenden, offenbar planungstreu ablaufenden Bauabschnitte der Renovierung, inklusive einer - sehr löblichen - Neuausschreibung der Gastronomie in einigen Jahren. Neu ist in diesem Jahr die Diskurs-Offensive der Festspiele in Haus Wahnfried. Am 28. und 29. Juli gibt es dort ein Symposium zu "Wagner im Nationalsozialismus" und der Neuorientierung nach dem Zweiten Weltkrieg; von 28. Juli an finden vier Kammerkonzerte mit teils spektakulärem Programm statt. Der Diskurs soll die Festspiele fürderhin begleiten und vom kommenden Jahr an auch das dann frisch renovierte Markgräfliche Opernhaus bespielen.
Im Grunde ist die Pressekonferenz ein entspannter Aperitiv vor dem Festakt zum 100. Geburtstag von Wieland Wagner. Bei diesem hält Sir Peter Jonas die Rede, die man gestern in dieser Zeitung leicht gekürzt lesen konnte. Insofern bleibt zu Wielands Werk selbst nichts mehr zu sagen. Jonas' Rede kommt dann auch fabelhaft gut an, auf jeden Fall besser als die leicht verstörende und sehr private Aphorismensammlung von Wielands Sohn Wolf-Siegfried Wagner. Bei dessen Rede bleibt ein amorpher Restverdacht übrig, dass die Versöhnung noch ihrer Vollendung harrt. Es waren einst zwei Brüder, die schwer zu schleppen hatten am Erbe und nach dem Zweiten Weltkrieg Bayreuth neu erfanden. Der eine war Wolfgang, der andere Wieland, beide zeugten Kinder, und die waren sich nicht immer grün. Der Wolfgang-Wagner-Stamm stellt mit Katharina zur Zeit die Leitung, und Katharina übertrug als geschickte Diplomatin (sic!) die Planung des Festakts und dessen Programm der Gestaltungshoheit des Wieland-Zweigs.
Also Versöhnung, und dazu erklingt Musik von Alban Berg und Verdi. Wagner gibt es auch, die lustige Ouvertüre des nicht Hügel-satisfaktionsfähigen "Rienzi" und "Parsifal", Vorspiel I und Verwandlungsmusik inklusive der paar Takte, die Humperdinck dazu komponierte, damit man bei der Uraufführung 1882 mit dem Umbau fertig wurde. Ungewohnt: Das Festspielorchester ist auf der Bühne platziert, also nicht im Zauberschlund, Hartmut Haenchen leitet es und erhebt den "Parsifal" zum klangschönsten Festaktweihespiel.
Claudia Mahnke singt die Marie in den drei Bruchstücken aus Berg "Wozzecks", der 1966 Wielands vorletzte Regiearbeit (in Frankfurt) darstellte. Es wird zu einem berührenden Kondensat der Oper. Bergs Musik der Humanität tut dem Festspielhaus gut. 1965 inszenierte Wieland Verdis "Otello" in Frankfurt; nun hört man dessen Ende. Nicht zum ersten Mal erklingt hier im Festspielhaus Musik, die nicht von Richard Wagner stammt. Der Verdi-Ausschnitt machte unendlich Lust auf mehr, so wie Camilla Nylund Desdemonas "Ave Maria" betet. Christa Mayer hat als Emilia leider nicht viel zu tun, Stephen Gould kommt als Otello, um zu morden. In Bayreuth leiden immer die Frauen.