Süddeutsche Zeitung

Bayreuther Festspiele:Abgang Wim Wenders

Dass Wim Wenders sich den Wagner-Festspielen nun doch verweigert, ist für Bayreuth eine Katastrophe. Doch für die Festspielleiterinnen ist es auch eine Chance, die unselige Bayreuth-Politik zu überdenken.

Reinhard Brembeck

Jetzt also doch nicht. Der Filmregisseur Wim Wenders wird nicht in Bayreuth inszenieren. Im Januar kamen Gerüchte auf, dass er 2013, zu Wagners 200.Geburtstag, im "Ring des Nibelungen" die Regie machen würde. Ein zweischneidiger Coup. Hat sich Wenders doch häufig an Mythen abgearbeitet, zuletzt in seiner Hommage an die Tanztheatermeisterin Pina Bausch.

Aber es wäre seine erste Opernregie gewesen. Zudem bei einem Stück, das gestandene Opernregisseure zittern lässt. Und zu den gefürchteten Bayreuther Bedingungen, die von chronischer Zeitnot diktiert werden. Wie fad das werden kann, zeigte der letzte Bayreuther "Ring", den nach der Absage des operunerfahrenen Filmemachers Lars von Trier der genauso opernunerfahrene Dramatiker Tankred Dorst stemmte - und sich dabei schlicht überhob.

"Unterschiedliche Vorstellungen beider Seiten", heißt es in einer nichtssagenden gemeinsamen Erklärung von Wenders und den Festspielen, "konnten letztlich leider nicht in vollem Umfang zu der nötigen Übereinstimmung gebracht werden, die für eine erfolgreiche Arbeit unabdingbar ist." Angeblich wollte Wenders Bayreuth in ein Filmstudio verwandeln, was Bayreuths Chefinnen Katharina Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier nicht hinnehmen wollten. Was auch immer der Grund war: Für Bayreuth ist das eine Katastrophe - die aber auch eine Chance birgt.

Denn jetzt könnten Katharina und Eva endlich ganz unbefangen an die heikle "Ring"-Frage herangehen. Sie könnten die unselige Bayreuth-Politik überdenken, dieses Monsterstück einem opernfernen Star aus welcher Kunstsparte auch immer anzuvertrauen. Denn Skandal, Starrummel, Spektakel schienen wichtiger zu sein für Bayreuth als handwerkliche Souveränität und künstlerische Vision. Zwar gab es seit Patrice Chéreaus Siebziger-Jahre-"Ring" nur wenige szenisch überzeugende Inszenierungen dieses Vierteilers. Was damit zusammenhängt, dass dessen pathetischer Anspruch, das ultimative Welterklärungsstück zu sein, keinen mehr überzeugt. Deshalb aber alle Opernregisseure mit einem Bayreuther "Ring"-Verbot zu belegen, ist irrsinnig - sind doch viele der Probleme des Stücks nur von gewieften Theaterpraktikern zu lösen.

Bayreuth hätte jetzt also die Chance, von Spektakel auf Handwerk umzuschalten, von Glamour auf Inhalt, von Rampenlicht auf Problematisierung. Zumal die Opernregieszene sich in den vergangenen Jahren stark verändert hat. Auch wenn die Regietheaterheroen in der Defensive sind, und viele Häuser ihren "Ring" auf den Weg gebracht haben, gibt es doch etliche junge Regisseure, von denen man einen "Ring" gern sehen würde.

Über Namen zu spekulieren, ist allerdings sinnlos. Denn nur zwei Jahre Vorbereitungszeit für den "Ring" sind viel zu wenig. Das wird viele abschrecken, zumal sie schon längst bis weit über 2013 geplant haben. Also wird Bayreuth wohl einen neuen Coup versuchen: Am Ende läuft das auf Guido Westerwelle hinaus, der sehr bald sehr viel Zeit haben wird.

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Quelle:
SZ vom 06.04.2011/kar
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