Bayreuth:Wird das Franz-Liszt-Museum zur öffentlichen Toilette?

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Wenn Kultur zur Last wird - das Bayreuther Liszt-Museum. (Foto: Helmut Mauró)

In Bayreuth gibt es Streit um die Sanierung des Franz-Liszt-Museums. Einer der Stadträte würde lieber ein neues WC in den Räumlichkeiten sehen als Erinnerungsstücke an den Komponisten.

Von Helmut Mauró

Viele Museen haben, nicht erst in Zeiten von Corona, mehr Klicks auf ihrer Website als Zuschauer im Haus. Mit einem glamourösen Webauftritt kann man mehr Menschen für ein museales Thema begeistern, als man dies bisher durch Broschüren und Plakatwerbung erreichte. Vor allem aber muss das Publikum nicht mehr überall hinreisen. Ein New-York-Ausflug wäre ja noch attraktiv, aber wann kommt man schon freiwillig in Bayreuth vorbei? Oder an Raiding?

Raiding ist ein österreichischer Ort im Bezirk Oberpullendorf. Hier ist der Komponist und Pianist Franz Liszt geboren. Deshalb hat man dort 1951 ein schmuckes Liszt-Museum eingerichtet und zwischen die Äcker und Weinhügel ein Konzerthaus gebaut. In Bayreuth dagegen ist Liszt 1886 gestorben, und auch hier hat man ihm ein kleines Museum eingerichtet.

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Der Münchner Pianist Ernst Burger hat 1988 seine Sammlung von Liszt-Dokumenten der Stadt Bayreuth zu Füßen gelegt, manche glauben: vor die Tür geschaufelt. Zum Beispiel der Tierarzt Helmut Zartner, der für "Die Unabhängigen" im Bayreuther Stadtrat sitzt. Seinen Standpunkt tat das Bayreuther Tagblatt vor ein paar Wochen kund, er selber hat sich auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung nicht geäußert. "Warum kümmern wir uns überhaupt um das Haus?", soll er der die Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und den Kulturreferenten Benedikt Stegmayer in der Stadtratsdiskussion um die Sanierung des Liszt-Museums gefragt haben. Franz Liszt gehöre doch ins Burgenland und nicht nach Bayreuth.

Der Komponist sei halt zufällig in Bayreuth gestorben. Warum, so frage er sich, betreibe man solch eine Totenkultur und tue nichts für die Lebenden: "Warum sollten wir Museen restaurieren, in die eh keiner rein geht? Da könnte man mal was für die Bürger tun und lieber eine öffentliche Toilette reinbauen."

Solche Aussagen kommen normalerweise aus dem rechten bis sehr rechten politischen Spektrum. Aber die Liste "Die Unabhängigen" in Bayreuth führt neben ehemaligen Polizisten, kaufmännischen Angestellten und Rentnerinnen auch Ärzte, ehemalige Direktoren und den Tierarzt Zartner. Also ein ehemals bildungsbürgerliches Soziotop, in dem man mehr Wissen um Liszt vermutet hätte - um seine Bedeutung für die musikalische Moderne etwa und speziell für Wagner. Er war ja nicht nur dessen Schwiegervater, sondern hatte wesentlichen Anteil an der Akzeptanz und Verbreitung von dessen Werk.

Was in Raiding eine Chance für kulturellen und touristischen Zugewinn ist, stellt in Bayreuth ein Problem dar

Der Kulturreferent möchte das renovierte und erweiterte Wagner-Museum zum Vorbild nehmen für die gegenüberliegende Vorkriegsvilla, um das dortige Liszt-Museum entsprechend auszubauen und ihm möglicherweise zu ähnlichem Renommee zu verhelfen wie dem neuen Wagner-Museum. Aber was in Raiding eine Chance für kulturellen und touristischen Zugewinn ist, das ist in Bayreuth ein Problem.

Das kulturelle Gewissen der 70 000-Einwohner-Gemeinde erinnert stark an Salzburg: Die Festspiele bringen Glamour, heben das Selbstbewusstsein der Einwohner in höchste Höhen, und da bleibt es auch, wenn die Festspiele vorbei sind und sich der Umgangston wieder normalisiert hat. In Bayreuth ist das vielleicht nicht ganz so drastisch, aber auch hier spürt man: Geschenkt nehmen wir's, aber sonst bleibt uns vom Leib mit eurer Kultur. Man spürt geradezu Angst, unter der Last kultureller Verpflichtungen zusammenzubrechen.

"Bayreuth ist Kulturstadt", sagt die Oberbürgermeisterin, und man investiert durchaus in diesem Bereich, etwa in den Umbau der Stadthalle für 85 Millionen Euro, ebenso in ein neues Stadtarchiv. Die Sanierung des Liszt-Museums soll drei Millionen kosten, der Kulturreferent würde gerne den ersten Stock, der bislang als Privatwohnung vermietet wurde, in die Neuplanung einbeziehen. Der finanzielle Aufwand wäre angesichts der übrigen Bauvorhaben vergleichsweise marginal.

Doch auch dafür braucht es Verständnis und Unterstützung und - das muss man dem Kulturreferenten ankreiden - ein neues Konzept. Das könnte schon jetzt und ohne Stadtratsbeschluss, dazu preisgünstiger noch als der Bau eines Toilettenhäuschens, ein besserer Internetauftritt des Museums sein, der künftig wichtiger sein wird als die Immobilie. Aber auch die könnte, entsprechend bespielt, im Gegensatz zu den Liszt-Orten Raiding und Weimar, in unmittelbarer Beziehung zu Wagner Ausgangspunkt für ein erweitertes Liszt-Verständnis werden.

© SZ vom 26.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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