Bayernpartie:Alle Frauen sind schön

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Vom Körper zum Relief zur Landschaft - und zur "Emanzipation des Leibes": 1960/61 schuf Wilhelm Loth die Bronzeplastik "Signal antropomorph". (Foto: Dirk Altenkirch)

In Neumarkt erinnert eine Ausstellung an den Bildhauer und Maler Wilhelm Loth

Von Florian Welle

Zeit seines Lebens sorgte Wilhelm Loth immer wieder für Aufruhr. Weil das Werk des 1920 in Darmstadt geborenen und ebendort mit 72 Jahren gestorbenen Bildhauers nahezu obsessiv um den Körper der Frau kreiste, sah er sich Anfeindungen ausgesetzt. Zumal er in der letzten Schaffensperiode ab 1979 seine Leibplastiken, die er nun "Idole" nannte, in geometrisch-abgezirkelte Formen zwängte und damit dem Vorwurf, er würde die Frauen auf ihr Geschlecht reduzieren, Vorschub leistete. Ein Missverständnis. Schließlich weisen unzählige Äußerungen Loths in eine andere Richtung. Gegenüber seinem Freund, dem Kunsthistoriker Schmoll gen. Eisenwerth, sagte er: "Meine Plastik geschah innerhalb der gewaltigen Bewegung zur Emanzipation des Leibs (...) Ich versuchte, Schlüsse aus meiner Zeit zu ziehen. Du weißt, die Magie des Fleisches, Freiheit für das Erlebnis des Leibs."

Mittlerweile ist Wilhelm Loth ein wenig in Vergessenheit geraten. Nun aber erinnert in Neumarkt eine Ausstellung an den Künstler. Pia Dornacher, die Leiterin des Bildhauermuseums Lothar Fischer (der seinerseits Träger des Darmstädter Wilhelm-Loth-Preises war), hat eine rund 50 Werke umfassende Schau konzipiert, die Loth gerecht zu werden versucht. Auch ihrer Meinung nach ging es Loth, egal ob in der Plastik, der Zeichnung oder seiner Bildhauer-Fotografie darum, die Frauen in ihrer Unmittelbarkeit zu zeigen. Das heißt selbst mit Schwangerschaftsbauch, Narben oder Falten, wie sie die Fotografien aus den 1980er Jahren im Obergeschoss darstellen. Auf ihnen sieht man nie Frauen in stilisiert erotischer Pose, sondern Loth interessiert das Detail: hier ein krummer Rücken, dort schrundige Knie. Dornacher, darin ganz Museumspädagogin, möchte mit diesen Arbeiten auch Frauen von heute ansprechen, ihnen mit auf den Weg geben: Natürlich ist ein Körper mit all seinen Makeln. Daneben ordnet ein Zitat von Loth die vitalistischen Fotos ein: "Schönheit, das ist für mich nicht eine vom Leben abgehobene Idealvorstellung, sondern ich suche sie in Formen, die das reale Leben anbietet und die für mich schön sind, weil sie lebensbejahend sind. Eine Schönheit, an der alle Frauen teilhaben können."

Keine Geringere als Käthe Kollwitz ermutigte Wilhelm Loth 1938, Bildhauer zu werden. Häufig korrespondierte der junge Mann mit der von den Nazis verfemten Künstlerin. Hinter einer Vitrine kann man Autografen betrachten. "Sie schickten mir die Zeichnung Ihrer Mutter", schreibt Kollwitz 1940 und fährt fort: "Es ist eine gute Arbeit, aus der man glaube ich ersehen kann, daß Ihre Begabung stark nach der plastischen Seite hinneigt." Die ausgestellte Bronze "Hommage à Käthe Kollwitz" von 1957 lässt dann den Besucher gerade in ihrer unterschiedlichen Formsprache die Bedeutung Kollwitz' für Loths Schaffen ermessen.

Im Frühwerk ist dieses beeinflusst von Toni Stadler, dessen Abendkurse an der Frankfurter Städelschule Loth kriegsbedingt nur kurze Zeit besuchen konnte. Von ihm lernte er - die ausgestellten archaisch anmutenden Terrakotta-Figuren zeigen es -, wie man einen Körper als Hohlgefäß aufbaut. Ein anderer Einfluss stellte sich in den Fünfzigerjahren mit der Bekanntschaft Ossip Zadkines und dessen spätkubistischem Werk ein: Loths Formgebung, etwa in den "Römischen Reliefs", die 1964 auf die Documenta III nach Kassel wanderten, ist von scharfkantiger Härte. Um dann nach dem Villa Massimo-Stipendium und dem Studium des Barock, insbesondere von Bernini, fließender und runder zu werden.

Der Torso, nicht zuletzt in der Tradition von Rodin, wird in der mittleren Schaffensphase zum bestimmenden Thema Loths. Wobei er keinerlei Rücksicht auf korrekte Proportionen legte. In Neumarkt zu sehen sind zum ersten Mal überwiegend Gipsarbeiten, nur wenige gegossene Bronzen. Eines der schönsten Stücke: die mit Lack überzogene "Kleine liegende Aphrodite" von 1962, eine Art sanft gewellte Landschaft, die den weiblichen Körper nur mehr erahnen lässt. "Das plastische Ding", hat Loth einmal gesagt, "muss das Drama zeigen, Mensch, zu sein."

Wilhelm Loth - Von der Figur zur Körperlandschaft 1947 bis 1988. Museum Lothar Fischer, Neumarkt, Weiherstr. 7a, Mi-Fr, 14 - 17 Uhr, Sa, So 11 - 18 Uhr, bis 11. Juni

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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