Bayerische Kunstförderpreise:Söders Documenta

Der Ministerpräsident fordert ein besseres Marketing für die reichen Kulturschätze des Freistaats und singt das Hohelied der Kunstfreiheit.

Von Susanne Hermanski

Eine "Documenta" und eine "Kultur-Olympiade" wünscht sich Markus Söder für München. Denn was "uns fehlt", sagt er bei der Verleihung der Bayerischen Kunstförderpreise 2019, sei ein "Fixpunkt", in unserem schönen, an Kultur so reichen Bayern, und dazu "eine Vermarktungsidee, die frech, überraschend und spektakulär ist". München im Besonderen und Bayern im Ganzen habe zwar eine ungeheuer vielseitige kulturelle Szene und exquisite Kunstsammlungen zu bieten, "doch noch nicht alle wissen, wie gut wir sind", glaubt er. Von Berlin, der ewig armen, aber sexy Hauptstadt, dürfe man sich da die Schneid nicht abkaufen lassen, könnte es sich von seinen eigenen Einnahmen "doch noch nicht mal ein Stadttheater" leisten. Es komme halt in den Genuss von Bundesgeldern. Da sei es auch nur folgerichtig, wenn so ein flottes Münchner Filmfest mal ein bisschen am Nimbus der Berlinale kratze, und ihre Vormachtstellung hinterfrage.

Bayerische Kunstförderpreise

Ein Dirigent, der den Takt mit Headbanging angibt: Claas Krause.

(Foto: Andreas Gebert)

Dass der "MP", wie seine Leute ihn nennen, es trotz des launigen Tonfalls ernst meint mit seiner bayerischen Kulturoffensive, signalisiert schon die Wahl des Ortes für diesen Festabend. Bislang hat die Überreichung der Förderpreise stets in bescheidenem Rahmen stattgefunden, diesmal aber geht sie im Cuvilliéstheater, im Herzen der Residenz über die Bühne: hoch repräsentativ, elegant inszeniert und im Anschluss mit einem Empfang beglückt, zu dem sogar so rare Gäste wie Katharina Wagner - soeben bis 2025 verlängerte Intendantin und Tochter der Bayreuther Festspiele - angereist ist. Doch bevor man sich später aufgeregt bei einem Gläschen über die olympischen Kammerspiele unterhalten kann, spricht der MP noch mehr weise Worte. Er sei zwar kein gelernter Kulturhistoriker und auch in seiner Zeit als Journalist nie Feuilletonist gewesen, aber nun in seinem Amte, spüre er doch "zunehmend die tiefere Bedeutung von Kulturpolitik und die demokratische Dimension von Kunst". Den Staat nennt Söder in der Folge "einen Mäzen", dessen Aufgabe es sei "Neues anzustoßen" und den Künsten wie der Wissenschaft jene Freiheit zu ermöglichen, in neue Dimensionen des Denkens vorzustoßen.

Bayerische Kunstförderpreise

Markus Söder macht sich nach dem Konzert Sorgen um die Halswirbelsäule des von ihm ausgezeichneten Nachwuchstalents.

(Foto: Andreas Gebert)

Den Unterschied zwischen einem Politiker und einem (Kunst-)Genie erklärt der Ministerpräsident mit einem Augenzwinkern hinüber zu seinem Kunst- und Wissenschaftsminister Sibler: "Für unsereinen gibt es immer einen Nachfolger, gell Bernd? Für ein Genie niemals." Dies mochte auch Julian Nina-Rümelin, der ehemalige Kulturstaatsminister und Ex-Kulturreferent der Stadt München unterschreiben. Beim späteren Podiumsgespräch gratuliert er Sibler und dessen Ministerium sogleich zum "schönen Arbeitsauftrag", den ihm der Chef da in Sachen Documenta eingebrockt hätte.

Zuvor beweist Sibler (der das Rokoko-Kleinod des Herrn de Cuvilliés versehentlich "Königliches Marionettentheater" nennt, und damit die wildesten Wikipedia-Suchen des Abends anstößt) jedenfalls schon einmal ein gewisses Durchhaltevermögen in Sachen Kultur. Er überreicht nicht nur sämtlichen 17 Künstlerinnen und Künstlern die Kunstförderpreise, er liest auch selbst zu jedem einzelnen voller Überzeugung die von den Fachjurys formulierten Laudationes vor. Den Preis an die Opernsängerin Sara-Maria Saalmann, die an diesem Abend in Regensburg auf der Bühne stehen muss und nicht zum Festakt kommen kann, verspricht er gar persönlich in nächster Zeit nachzureichen. "Schließlich ist Regensburg ja fast vor meiner Haustür."

Bayerische Kunstförderpreise

Raphaela Gromes spielte bei der Verleihung im Cuvillies-Theater Cello.

(Foto: Andreas Gebert)

In seiner eigenen Rede erklärt er noch einmal eingehender, wie das funktioniert mit der Kunst "als Gradmesser der Freiheit in einer Demokratie". Sie könne "harmonisch, gefällig oder anrührend sein, aber genauso kann sie provozieren, anecken, anstoßen, unbequem, wild oder unvernünftig sein. Für unseren gesellschaftlichen Diskurs ist das unschätzbar wertvoll." Es seien jene jungen Künstlerinnen und Künstler, die der Freistaat auszeichne, die "die Zukunft unseres kulturellen Lebens entscheidend mitgestalten".

Vergeben wird der Preis an Künstler, die in Bayern leben oder ihren Schaffensmittelpunkt haben und höchstens 40 Jahre alt sind, in den vier Sparten Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Literatur sowie Tanz und Musik. Im Rahmenprogramm der Gala zeigen sie gleich, wie sehr sie die Preise verdient haben. Auch das Verworner Krause Kammerorchester. Wie der Dirigent sein VKKO mit vollem Körpereinsatz auf den Takt einschwört, erscheint in der Tat unbequem, wild und unvernünftig. Derart, dass der MP sagt: "Ich hoffe, da bleiben keine Schäden", und Claas Krause antwortet: "Nach drei Tagen geht es wieder."

Die Preisträger 2019

Bildende Kunst

Iza Tarasewicz (Bildhauerin, München); Jonas Tröger (Multimediakünstler, Baiersdorf); Sebastian Tröger (Maler, Performer und Kurator, Nürnberg); Alexi Tsioris (Zeichner und Bildhauer, München); Cana Bilir-Meier (Zeichnerin und Videokünstlerin, München)

Darstellende Kunst

Isabel Kott (Schauspielerin und Sprecherin, München); Nils Strunk (Schauspieler, München); Sara-Maria Saalmann (Opernsängerin, Regensburg); Mirjam Mesak (Opernsängerin, München)

Literatur

Katharina Adler (Romanautorin, München); Tristan Marquardt (Lyriker und Mediavist, München); Benedikt Feiten (Popliterat, München); Nora Zapf (Lyrikerin, München)

Musik und Tanz

Raphaela Gromes (Cellistin, München); Angela Metzger (Organistin, Absberg); Verworner Krause Kammerorchester (Streichquartett, Bläserensemble und Jazz-Rhythmusgruppe ergänzt durch Live-Elektronik, München); Alexsandro Akapohi (Balletttänzer und Solist, Nürnberg)

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