Als im Frühjahr der erste Brief kam, hielten sie es noch für einen Scherz. Nach dem zweiten nahmen sie sich einen Anwalt. Doch auch der konnte ihnen keinen Mut mehr machen, als im September der vierte Brief einging, eine Abmahnung mit neu gesetzter Frist von drei Tagen. Es war der Tag, bevor das junge Designlabel "My Bauhaus is better than yours" seinen ersten Auftritt auf der Berliner Kunstmesse ABC haben sollte. "Wir hatten die totale Panik", sagt Manuel Goller, der 27-jährige Geschäftsführer. Als Nächstes drohte eine einstweilige Verfügung, Polizei auf der Messe. Sie unterschrieben die Unterlassungserklärung, nahmen sämtliche Aufschriften am Messestand ab, auf denen das Wort "Bauhaus" vorkam, und gaben sich einen anderen Namen: New Tendency.
Das alles deshalb, weil die Baumarktkette Bauhaus ihr Recht an der Marke "Bauhaus" geltend gemacht hatte. "Wir sind zu klein, um uns dagegen zu wehren", sagt Manuel Goller.
"My Bauhaus is better than yours" ist 2009 als Studenteninitiative an der Bauhaus-Universität Weimar entstanden und versteht sich nach wie vor, obwohl es seit einem Jahr eine richtige Firma ist, eher als Netzwerk, das Möbel und Accessoires von jungen Designern in kleinen Auflagen auf den Markt bringt, die es sonst kaum in die Serienproduktion schaffen würden. Der Slogan "My Bauhaus is better than yours", mit dem sie sich ironisch über die Vergangenheit hinwegsetzten, hat seit der Premiere 2009 auf der Mailänder Möbelmesse Furore gemacht, besonders die Taschen mit der Aufschrift verkauften sich weltweit. Natürlich war damit das historische Bauhaus gemeint, nicht der gleichnamige Baumarkt, und eben diese Doppeldeutigkeit wurde ihnen zum Verhängnis.
Versäumt, den Namen zu schützen
Als die Designer ihre Unternehmergesellschaft in das Berliner Handelsregister eintragen ließen und ihre Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt, gerieten sie in die automatische Kollisionsüberwachung, die Unternehmen in Auftrag geben, um ihre Marke zu schützen. Ohne es zu ahnen, hatten sie jenes sensible Gebiet betreten, auf dem es seit mehr als 40 Jahren zu Konflikten kommt. Zwischen der Baumarktkette auf der einen und den Bauhaus-Institutionen wie dem Bauhaus-Archiv in Berlin und der Stiftung Bauhaus Dessau auf der anderen Seite, die sehr genau darauf achten müssen, jegliche Berührungspunkte zu vermeiden.
Die Frage ist, welche Konsequenzen dieser Zustand für das Vermächtnis der berühmtesten Schule für Architektur und Design hat. Kann es sein, dass die Markenrechte an dem Begriff "Bauhaus" einem Baumarkt gehören?
80 bis 100 Unternehmen weltweit firmieren unter dem Namen Bauhaus, schätzt Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs. Darunter ein Polstermöbelhersteller in Mississippi, eine britische Gothic-Band, ein Modelabel in Hongkong, mehrere Bauträger, ein Luftfahrt-Forschungszentrum in München, eine Schokoladenmarke. Doch kein Unternehmen ist als Marke so dominant wie der Baumarkt in Deutschland und Europa. Es ist ein wohl einzigartiger Fall, dass ein kapitaler kulturhistorischer Begriff gleichzeitig mit einer Unternehmensmarke dieser Größenordnung besetzt ist. Als Heinz Georg Baus 1960 in Mannheim den ersten deutschen Baumarkt nach amerikanischem Vorbild eröffnete und ihn "Bauhaus" nannte, was ja immerhin so ähnlich klingt wie sein Name, legte kein ehemaliger Bauhäusler oder eine Nachfolge-Institution Widerspruch ein. Schon vorher hatten sie es versäumt, den Namen zu schützen.
Erst 1967 und noch einmal 1971 versuchte das Bauhaus-Archiv, den Baumarkt wegen Verletzung des Namensrechts zu verklagen. Zu spät. Die Richter am Landgericht Mannheim wiesen die Klage 1971 unter anderem deshalb ab, weil sich der Verein als Träger des Bauhaus-Archivs nicht auf eine "zeitliche Vorrangigkeit" berufen konnte: Er wurde im Mai 1960 in Darmstadt gegründet, Baus hatte sein Unternehmen drei Monate früher ins Handelsregister eingetragen. Außerdem schätzten die Richter das Bauhaus-Archiv nicht als "funktionellen Rechtsnachfolger" des historischen Bauhauses ein; auch die eingereichten Unterlagen, wonach Mies van der Rohe, der letzte Bauhaus-Direktor, sein Recht an dem Namen "Bauhaus" in den Sechzigerjahren an Bauhaus-Gründer Walter Gropius - den Erfinder des Namens - weitergegeben und der es wiederum auf das Bauhaus-Archiv übertragen hatte, hielten sie nicht mehr für relevant.
Heute ist Baus' Unternehmen die Nummer zwei in Deutschland, mit 131 Filialen hierzulande und weiteren 99 in Europa. Wegnehmen kann man ihm die Marke nicht mehr, auch wenn es immer wieder zu seltsamen Vermischungen in der Wahrnehmung kommt. Der Baumarkt profitiert nur indirekt vom wohl schillerndsten Begriff der Design- und Architekturgeschichte, er selbst stellt keine Bezüge dazu her. Genauso wenig wie umgekehrt die Gegenseite. "Man muss eine kultivierte Art der Koexistenz finden", meint Philipp Oswalt, Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, die mit dem Baumarktunternehmen zurzeit über eine Abgrenzungsvereinbarung verhandelt. Das Bauhaus-Archiv hat schon zurückgesteckt und verkauft bestimmte Produkte nicht mehr in seinem Museumsshop. "Der Baumarkt hat die allermeisten Warenklassen bereits besetzt", sagt Direktorin Jaeggi. Daran ist auch "My Bauhaus is better than yours" gescheitert.
Ein Umstand, der den Handlungsspielraum der Bauhaus-Institutionen in Berlin, Dessau und Weimar in Zukunft erheblich einschränken wird. Ohne die Marken-Konkurrenz des Baumarkts könnten sie mit Museumsshops und Merchandising weitaus mehr einnehmen und wären besser gerüstet für den Konkurrenzkampf untereinander, den es ja auch noch gibt: Alle drei planen Neubauten, um endlich mehr von ihren umfangreichen Sammlungen zeigen zu können und dem stetig wachsenden Interesse gerade der ausländischen Besucher nachzukommen. Das Bauhaus-Museum in Weimar ist bereits beschlossene Sache, aber auch in Berlin und Dessau sollen die Projekte bis zum Jubiläumsjahr 2019 (100 Jahre Bauhaus) abgeschlossen sein; die Stadt Dessau-Roßlau will sich bis dahin sogar in "Bauhausstadt Dessau" umbenennen. Ganz offensichtlich besitzt die Marke Bauhaus magische Anziehungskraft, sie verspricht höchste Werbewirkung.
Ein Begriff so elastisch wie Kaugummi
Seit ehemalige Bauhäusler wie Gropius, Mies van der Rohe und Josef Albers die Bauhaus-Ideen in den Dreißigerjahren in Amerika verbreiteten und László Moholy-Nagy 1937 für kurze Zeit das New Bauhaus in Chicago einrichtete, hat die Schule enorm an Popularität gewonnen. So sehr, dass die Markenämter inzwischen immer weniger Neueintragungen mit dem Begriff "Bauhaus" zulassen - mit dem Argument, der Begriff sei im allgemeinen Sprachgebrauch längst ein Stil- und Epochenbegriff, also ein beschreibender Begriff ohne Unterscheidungskraft. Auch der Eintrag der Bauhaus-Universität Weimar wurde aus diesen Gründen abgelehnt.
Dass dieses Argument historisch falsch ist, spielt für die Prüfer keine Rolle. Einen einheitlichen Bauhausstil hat es nie gegeben, im Gegenteil. Doch der Begriff hat sich verselbstständigt, er ist so elastisch wie Kaugummi. Heute gilt das Bauhaus als Synonym für moderne Architektur und Design schlechthin und muss für alles und jedes herhalten: Als Microsoft neulich sein Betriebssystem Windows 8 im neuen Design herausbrachte, gab es wieder Bauhaus-Vergleiche; Tel Aviv wirbt mit einem Ensemble von 4000 "Bauhaus-Bauten"; und die ostchinesische Stadt Hangzhou kaufte dem deutschen Sammler Torsten Bröhan für 55 Millionen Euro eine Designsammlung ab, um damit ein "Bauhaus-Museum" zu bestücken - und das, obwohl nur gut 300 der 7000 Objekte wirklich am Bauhaus entstanden sind.
Es wäre die Aufgabe der heutigen Bauhaus-Institutionen, gegen diesen Prozess der Popularisierung anzukämpfen und den Blick zu schärfen für die eigentlichen Ideen des Bauhauses. Was schwer ist, nicht nur, aber auch wegen der wirtschaftlichen Übermacht des gleichnamigen Baumarkts. Der Spruch "My Bauhaus is better than yours" war und ist ein kluger, ironischer Kommentar dazu. Er wird bleiben.