Streit um Berliner Bauakademie:"Geruch von Kungelei und Selbstbedienung"

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Eine Plastikplane täuscht die Fassade der Schinkelschen Bauakademie vor und wirbt für den Wiederaufbau. (Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Ein offener Brief kritisiert die Benennung von Florian Pronold zum Gründungsdirektor der Bauakademie. Gesucht war eine wissenschaftlich renommierte Person - dem SPD-Politiker mangele es an Fachkompetenz.

Von Jörg Häntzschel

Angesichts der Überfülle neuer Berliner Kulturprojekte könnte man leicht den Überblick verlieren. Eines der Vorhaben, die bisher im Schatten von Humboldt-Forum oder Museum der Moderne standen, ist der seit langem geplante Wiederaufbau der Schinkel'schen Bauakademie. Doch seit vor zwei Wochen der niederbayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Pronold zum Gründungsdirektor der neuen Institution ernannt wurde, verdient auch dieses Unternehmen alle Aufmerksamkeit.

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In einem offenen Brief, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, verurteilen nun rund 180 Architekten, Museumsleiter, Wissenschaftler und Kritiker die Entscheidung. Darunter sind viele der bekanntesten deutschen Architekten wie Louisa Hutton, Christoph Ingenhoven, HG Merz, Jan Kleihues, Regine Leibinger, Hilde Léon, Volkwin Marg und Werner Sobek; Kuratoren und Museumsleute wie Bernd Scherer (Haus der Kulturen der Welt), Giovanna Borasi (Canadian Centre for Architecture), Martino Stierli, (MoMA), Kristin Feiriss (Aedes Berlin) und Wissenschaftler wie Kurt W. Forster (Yale, ETH Zürich), Harald Bodenschatz, Friedrich Borries und Philipp Oswalt. Auch der Präsident der TU Berlin, Christian Thomsen, hat den Brief unterzeichnet.

Durch die Entscheidung für Pronold werde die Chance vergeben, die künftige Bauakademie als relevantes Architekturzentrum zu etablieren

Sie kritisieren vor allem, dass mit Pronold ein Mann die Stelle bekommt, der kaum Fachkompetenz besitzt - und das, obwohl in der Ausschreibung ausdrücklich eine international bekannte, wissenschaftlich renommierte Person gesucht war, etwa eine Museumsleiterin oder ein Museumsleiter. Der Consulting-Firma Kienbaum, die eine Vorauswahl unter den Bewerbern getroffen hat, werfen sie vor, "wesentlich kompetentere Personen ausgeschlossen" zu haben. Durch die Entscheidung für Pronold werde "die Chance vergeben, die künftige Bauakademie als ein relevantes und international anerkanntes Architekturzentrum (...) zu etablieren". Die Verfahren stünden durch das intransparente Verfahren "im Geruch von Kungelei und Selbstbedienung". Die Unterzeichner des Briefs fordern deshalb Innenminister Horst Seehofer auf, "das bisherige Ergebnis zu annullieren und das Bewerbungsverfahren noch einmal aufzurollen".

Kritik an der Personalie kommt auch vom Bund Deutscher Architekten. Dessen Präsidentin, Susanne Wartzeck, sagte der SZ, "das ganze Verfahren ist befremdlich", dies sei "ein unglücklicher Start für die Bauakademie". Sie kritisierte auch, dass der Stiftungsrat "rein politisch besetzt" sei. "Wir fordern, dass wenigstens auf inhaltlicher Ebene die Stellen nach Fachkompetenz besetzt werden."

Fragen nach Pronolds Qualifikation konnte in den letzten Tagen keiner der Verantwortlichen plausibel beantworten. In der Pressemeldung zur Entscheidung hatte Baustaatssekretärin Anne Katrin Bohle erklärt, für Pronold sei die Bauakademie eben eine "Herzensangelegenheit". Für weitere Auskünfte stand sie nicht zur Verfügung. Ein Sprecher des Innenministeriums wies gegenüber der SZ nur wiederholt darauf hin, die Entscheidung sei einstimmig ausgefallen. Dasselbe sagte auch Johannes Kahrs (SPD), dem unterstellt wird, maßgeblich hinter der Wahl von Pronold zu stehen. "Qualität setzt sich eben durch", sagte er - ohne allerdings erklären zu können, worin die Qualität bestand. An der entscheidenden Sitzung habe er nicht teilgenommen. Auf Zweifel an Pronolds Eignung angesprochen, reagierte er äußerst irritiert.

Auch Barbara Ettinger-Brinckmann, die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer und einzige Vertreterin vom Fach, konnte die Diskrepanz zwischen Ausschreibung und Besetzung im Interview mit der SZ nicht erklären. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass ein fachlich relevantes Studium verlangt war. Was das Verfahren angeht, habe sie sich auf die Leute verlassen, die es geleitet hätten.

Einige der abgewiesenen Bewerber für die Stelle haben erwogen, durch eine sogenannte Konkurrentenklage gegen die Entscheidung für Pronold vorzugehen. Doch das ist nicht möglich, da die Bauakademie keine Stiftung öffentlichen, sondern bürgerlichen Rechts ist.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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