Design-Ausstellung:Freies Spielen

Neues Museum Nürnberg

Das "Kleine Schiffbauspiel" von Bauhaus-Ikone Alma Siedhoff-Buscher. Es besteht aus 22 Einzelteilen, in der Ausstellung ist ein Segelboot aus zehn Teilen aufgebaut.

(Foto: Roman März/Neues Museum Nürnberg)
  • Die Nürnberger Ausstellung "Bau Spiel Haus" bietet einen neuen Blick auf die Pädagogik des Bauhauses.
  • Ein formaler Gedanke, der alle Bauhaus-Spielsachen verbindet, ist der des multifunktionalen Moduls, der den Kindern ein freies Spielen ermöglichen sollte.
  • Im Fokus der Schau steht Alma Siedhoff-Buscher, die die prägendste und innovativste Figur für Bauhaus-Spielzeug war.

Von Nora Reinhardt

Der Rumpf des Segelbootes ist ein bauchiges, rot lackiertes Stück Holz, die Segel stehen lose darauf. Naturholz schimmert durch, die Farbe ist dünn geworden, ein abgeliebtes Spielzeug. Die geometrischen Klötze des "Kleinen Schiffbauspiels" sind allerdings raffiniert gebogen, wirken teils sogar filigran. Sie fordern eine risikoreiche Statik ein, einen Tüftler. Das wohl bekannteste Spielzeug des Bauhauses steht im Mittelpunkt der Schau "Bau Spiel Haus" im Nürnberger Neuen Museum. Der Baukasten besteht aus 22 Teilen, aus denen Schiffe, eine Ballerina oder Landschaften entstehen können.

Erfunden hat es Alma Buscher im Jahr 1923. Zu dem Zeitpunkt war sie 24 Jahre alt, noch kinderlos, und arbeitete in der Holzbildhauerei der Kunstschule, die von Georg Muche und Josef Hartwig geleitet wurde. Was bislang kaum bekannt war: Am Bauhaus entstanden auch Spiele. Manche Entwürfe entsprangen der Theorie - wie das berühmte Schachspiel von Josef Hartwig -, viele jedoch der Notwendigkeit: immerhin gab es 71 Ehepaare und unzählige Affären am Bauhaus.

Gab es eine Bauhaus-Pädagogik?

Die Schau in der Spielzeugstadt Nürnberg widmet sich nun der originellen Frage: Was machte das am Bauhaus entstandene Spielzeug aus? Und gab es vielleicht sogar eine Art verbindende Bauhaus-Pädagogik? "Drei Tage am Bauhaus und man kann auf Lebenszeit kein Quadrat mehr sehen" schrieb 1923 ein Kunstkritiker. Doch gerade das Spielzeug beweist, dass das Bauhaus mehr als Würfel oder Quadrate lieferte - das von Hermann Finsterlin im Jahr 1922 entworfene "Stilspiel", das aus neun architektonischen Grundtypen bestand, enthielt Minarette genauso wie Kirchenschiffe. Eine Skizze von Georg Weidenbacher für "Orientalische Szenen" zeigt, dass Palmenlandschaften mit Kamelen aus Holz entstehen sollten.

Doch Alma Siedhoff-Buscher - wie die Künstlerin ab 1926 nach ihrer Heirat hieß - war die mit Abstand prägendste und innovativste Figur für Bauhaus-Spielzeug. Sie erdachte Puppen, die zum Werfen gedacht waren, das kleine und große Schiffbauspiel, ein Kugelspiel, Bastelbögen und - für das Musterhaus "Am Horn" -, die gesamte Einrichtung eines Kinderzimmers und den "Kinderspielschrank": einen Schrank mit einer Tür, der auch als Puppentheater fungiert. Ein Holzmodul auf Rollen, das als Hocker, aber auch als Wagen verwendet werden kann. Eine mobile Treppe, um einen Schrank erklimmen zu können - eine innovative Einrichtung, permanent veränderbar.

Parallelen zu heutigem Spielzeug

Obwohl viele ihrer Entwürfe gezeigt werden, erfährt der Besucher im Ausstellungsraum nicht viel über Alma Siedhoff-Buscher. Das liegt auch daran, dass sich das Neue Museum gegen Texttafeln entschied und dafür, die Kurzinformationen zu den Objekten in einem Begleitheft unterzubringen. Die Spielzeuge aus den Zwanzigerjahren sind demokratisch neben jene der anderen Jahrzehnte gruppiert. Durch dieses unmittelbare Nebeneinander öffnet die Präsentationsform den Blick für die Parallelen zu den heutigen Spielzeugen.

Mit dem Film "Kinderspielschrank in Gebrauch", der eigens für die Schau produziert wurde, kontextualisiert das Museum zudem die Objekte noch einmal. Das Video zeigt Joost Siedhoff, den heute 92-jährigen Sohn der Bauhaus-Entwerferin, wie er sich in den Nachbau seines Kinderzimmers begibt. Der alte Mann faltet noch einmal Bastelbögen auf, steigt ächzend auf die Stufen, spielt mit dem Kasperletheater. Und ohne zu Zögern setzt er die Klötzchen des "Kleinen Schiffbauspiels" zu einem chinesischen Tempeltor zusammen.

Ein zeitgleich laufendes Video zeigt Joost Siedhoff, wie er die pädagogischen Gedanken seiner Mutter vorträgt: "Kinder sollten einen Raum haben, wo sie sein können, was sie sein wollen. Jedes Ding darin gehöre ihnen. Es herrscht keine äußerliche Hemmung - 'Lass sein!' als Mahnwort gibt es nicht." Und: "Es gibt kein Fertiges in diesem Raum. Alles Gestalten bleibe dem Kind vorbehalten". Am Ende sieht man den Sohn, den Tränen nahe.

Siedhoff-Buscher: Karriereende nach fünf Jahren

An dieser Stelle ermöglicht die Ausstellung einen neuen Blick auf die Pädagogik des Bauhauses. Walter Gropius schätzte Friedrich Fröbel, den Erfinder des Kindergartens. Doch die Ausstellung macht erstmals sichtbar, dass es eigene Ansätze für eine Pädagogik gab und Bauhaus-Vordenker diese auch umsetzten in Spiel- oder Lernmaterialien. In den Texten von Alma Siedhoff-Buscher wird deutlich, wie viel Potenzial die Künstlerin noch hatte. Doch setzte sie nach der Geburt ihrer beiden Kinder Joost und Lore ihre Karriere nicht fort. Ob deshalb, wie der "Baushausfrauen"-Film nahelegt, weil Gropius nach der Geburt ihrer Kinder sie nicht mehr unterstützte, oder weil die Gastspiele ihres Ehemannes, dem Schauspieler Werner Siedhoff, es nicht erlaubten, ist unklar. Sie verließ im Jahr 1927 das Bauhaus und kam kurz vor Kriegsende bei einem Bombenangriff ums Leben.

Kein getrenntes Spielzeug für Jungen und Mädchen

Ein formaler Gedanke, der alle Bauhaus-Spielsachen verbindet, ist der des multifunktionalen Moduls. Das Spiel mit der Schwerkraft, das Austarieren von Statik und die Bewegung von Objekten war wichtiger als Rückzug und Verinnerlichung. Statt Kuscheltieren gab es Puppen, die man durch den Raum werfen sollte. Auffallend aber auch: Es gab kein Spielzeug allein für Jungen oder Mädchen. Vieles, das am Bauhaus erdacht wurde, blieb Modell oder im Ungefähren, wenige Entwürfe gingen in Serie. Auch, weil Gropius die Verwertungsrechte für alle am Bauhaus entstandenen Produkte beanspruchte, was zu großem Unmut unter den Studenten führte.

Alma Siedhoff-Buscher gelang es allerdings, sich durchzusetzen in einer Zeit, in der erstmals eine große Nachfrage nach Spielzeug bestand: Sie entwarf Bastelbögen und Malfibeln für den Verlag Ravensburger und stattete Kindergärten mit ihren Möbeln aus. Ihre Produkte waren ein kommerzieller Erfolg und ihr "Kleines Schiffbauspiel" das einzige Kinderspielzeug, das während der Weimarer Zeit einen Musterschutz erhielt.

Bau Spiel Haus. Neues Museum, Staatliches Museum für Kunst und Design Nürnberg. Bis 16. Juni. Katalog ab 11. April.

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