Bau des Berliner Stadtschlosses:Durchbruch zum Schloss

Das Land Berlin macht mit - jetzt soll das "Humboldt-Forum" rasch gebaut werden. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee spricht von "Durchbruch", und davon dass "ein Tor weit aufgestoßen" worden sei.

Lothar Müller

Es ist zugig, aber der Wind, der durch die halb abgerissene Ruine des ehemaligen Palastes der Republik streift, ist mild. Die Aussicht ringsum in den Stadtraum ist gut, denn die Außenwände des entkernten Baus sind längst gefallen. In seiner Mitte klafft ein Loch, zu Schrotthaufen sind auf dem Schlossplatz, über den Baufahrzeuge kurven, die Reste von Stahlträgern versammelt. Grüne und weiße Besucherhelme tauchen aus verbliebenen Treppenhäusern auf, Stuhlreihen warten aufgereiht im Staub, über ein kleines Sperrholzmodell der Mitte Berlins wölbt sich der leere Raum, mit viel Luft und der verbliebenen Dachkonstruktion. Mikrofone werden eingeschaltet. Die Pressekonferenz, die hier stattfindet, will etwas Extravagantes, Spektakuläres sein, eine Inszenierung an symbolischem Ort, so wie man früher Friedensschlüsse an sprechenden Schauplätzen in Szene setzte.

stadtschloss berlin

Modell des Stadtschlosses in Berlin.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist, so Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee, der als erster das Wort ergreift, ein "Durchbruch" erzielt, "ein Tor weit aufgestoßen" worden. Er freue sich mitteilen zu können, dass die Beteiligung Berlins an den Kosten für das "Humboldt-Forum", das hier, nach Abschluss der Abrissarbeiten, errichtet werden solle, gesichert sei. Damit sei der Weg frei für eine Kabinettsvorlage noch im Mai und die Auslobung eines internationalen Architektenwettbewerbs schon im Spätsommer dieses Jahres. Auf 480 Millionen Euro seien die Gesamtkosten für den 50000 Quadratmeter großen Neubau veranschlagt, für die ihm zufallende Nutzfläche werde das Land Berlin 32 Millionen Euro beisteuern.

Wowereit:"Das, was wir selber nutzen, werden wir auch selber bezahlen."

Bisher hatte es die rot-rote Regierung in Berlin abgelehnt, sich über die Bereitstellung von landeseigenen Grundstücken hinaus an den Kosten für den Nachfolgebau des ehemaligen Stadtschlosses zu beteiligen. Zumal nach dem Karlsruher Urteil vom Herbst 2006, mit dem die Verfassunsgrichter den Antrag Berlins auf Sanierungshilfen ablehnte, hatte der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, keine Gelegenheit ausgelassen, dem Bund, wenn es um die Mitfinanzierung Berliner Baustellen ging, die kalte Schulter zu zeigen. Der Bund wiederum machte den Eintritt in die konkrete Planungsphase von einer finanziellen Beteiligung Berlins abhängig. Nun stand Klaus Wowereit an seinem Mikrofon neben dem Bundesbauminister und rückte von dem bisherigen "Nein" ab: "Das, was wir selber nutzen, werden wir auch selber bezahlen."

Das war der Schritt aus der Sackgasse, die Aufhebung der Blockade. Dass dieser Schritt nach massivem Drängen des Bundes erfolgte, lässt sich erahnen. Das pure Glück über die Einigung jedenfalls sprach nicht aus Wowereit, und er wäre nicht er selbst, würde er nicht den Rückzug aus einer unhaltbar gewordenen Position als Teilsieg verkaufen. Und so betonte der Regierende Bürgermeister vor allem, wie gering der Anteil des Landes an dem geplanten Neubau sein werde.

In der Tat ist der Bund dem Land Berlin dadurch entgegengekommen, dass er mehr als die Hälfte der ursprünglich für Berlin geplanten Fläche selber übernimmt. Statt der ursprünglich avisierten 12600 Quadratmeter wird Berlin nun nur noch für 5000 Quadrameter Nutzfläche zahlen müssen, und Wowereit ließ es sich nicht nehmen, mehrfach an die 160 Millionen Landesbeteiligung zu erinnern, von denen noch vor ein paar Jahren die Rede war, und sie zu den 32 Millionen Euro in Relation zu setzen, die nun noch geblieben sind. Zur Einigung gehört auch, dass nun alle Planungen nicht weiter verfolgt werden, die die Errichtung eines Hotels und einer aufwendigen Tiefgarage vorsahen. Und keinen Zweifel ließ der Bundesbauminister daran, dass er den privaten "Förderverein Berliner Schloss", der in Aussicht gestellt hatte, 80 Millionen für die Schlossfassade zu sammeln, beim Wort nehmen wird.

Der Druck, den derzeit der Bund auf das Land Berlin macht, zielt aber nicht lediglich auf das Finanzierungskonzept, sondern zugleich auf das Nutzungskonzept für den Nachfolgebau des Berliner Stadtschlosses. Das ist auf Seiten des Bundes sehr viel weiter gediehen als auf Seiten des Landes. Konsequent sprach der Bundesbauminister immer wieder vom "Humboldt-Forum" als dem Primären, dem zu schaffenden Inhalt, und ebenso konsequent ließ er die Frage offen, in welchem Maß der zu schaffende Neubau in seiner architektonischen Gestalt über die Fassade hinaus an das 1950 gesprengte Stadtschloss erinnern werde.

Eine Verschränkung von Kunst und Wissenschaft

"Humboldt-Forum", das ist für den Bundesbauminister vor allem die Zusammenführung der bisher in den Dahlemer Museumsbauten untergebrachten außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der Mitte Berlins, in Blickkontakt zur Museumsinsel. Eine "Agora" erhofft sich der Minister nach wie vor, einen Marktplatz der Debatten und Reflexionen zum Erbe der Weltkulturen in der Epoche der Globalisierung, eine Verschränkung von Kunst und Wissenschaft, wie sie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, stets ins Spiel bringt, wenn er vom Projekt "Humboldt-Forum" spricht.

Tiefensee machte keinen Hehl daraus, was er sich als Beitrag Berlins vor allem wünscht: die Zusammenführung der wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität. Aber die Wissenschaftsgeschichte hat, seit es die Idee des "Humboldt-Forums" gibt, kein alleiniges Zugriffsrecht auf den Schlossneubau. Auf der Website der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, die an ihren beiden Standorten Amerika-Gedenkbibliothek und Breite Straße unter chronischem Finanzmangel und Raumnot leidet, wird nach wie vor der Anspruch angemeldet, in den Neubau einzuziehen und ihn zu beleben. Aber auf eben dieser Website ist von einem Raumbedarf von insgesamt 50 000 Quadratmeter die Rede. Mehr als ein "Schaufenster" scheint im nun beschlossenen Berliner Schlossteil kaum möglich. So treibt die Schlosslösung das Elend der Berliner Bibliotheken noch sichtbarer hervor.

Wenn nun, wie bekanntgegeben, der Zeitplan für die Auslobung des Architektenwettbewerbes bereits feststeht, so steht Berlin nun, da der finanzielle Dissens behoben ist, unter erheblichem Planungsdruck, was das Nutzungskonzept betrifft. Der Regierende Bürgermeister hielt sich bei der Pressekonferenz im Frühlingswind der Palastruine auffällig zurück. Dabei ist er ja inzwischen auch Kultursenator und hätte in dieser Funktion die Arbeit am Berliner Nutzungskonzept energisch vorantreiben müssen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: