Barockarien - von Händel oder auch von Lady Gaga:Simone Kermes, Popstarsopranistin

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Von Michael Stallknecht

Irgendwoher kommt einem das Motiv bekannt vor, das die Barocktrompete da bläst. Klar, das kann vorkommen im Barock, wo viele Komponisten nach dem Baukastenprinzip arbeiteten. Oder ist das vielleicht gar nicht ...? Ist das etwa ...? Es ist - und das macht die Sopranstimme spätestens klar, wenn sie beim Refrain ankommt: "Aber bitte mit Sahne" - der alte Schlager von Udo Jürgens. Nur, dass er hier nach 18. Jahrhundert klingt. Vier bekannte Songs hat Simone Kermes auf ihrer neuen Platte ("Inferno e Paradiso", Sony Classical) unter klassische Barockarien von Johann Adolph Hasse, Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel gemischt: Udo Jürgens ist dabei, "Stairway to Heaven" von Led Zeppelin, "Poker Face" von Lady Gaga und "Fields of Gold" von Sting. Letzteren sang Sting unter anderem zur Lautenbegleitung auf seinem Album mit Liedern von John Dowland, die bis dahin klassischen Stimmen vorbehalten schienen. Nun dreht die Kermes den Spieß um, was ihrem Ruf als "Lady Gaga der Barockmusik" kaum abträglich sein dürfte. Die Sopranistin betonte schon immer gern den Camp-Aspekt des Barock; ihre Turmfrisuren, Lightshows und Tanzeinlagen sind sichtbar den Kollegen vom Pop abgeschaut. Auch auf barocken Bühnen herrschte schließlich das Starprinzip: Erfolgreiche Sänger bauten ihre Arienhits ein, völlig unabhängig davon, in welcher Oper sie gerade auftraten. Glücklicherweise aber weiß Simone Kermes gleichzeitig, dass es schnell anbiedernd wirkt und meistens auch nicht gut klingt, wenn eine klassisch geschulte Stimme Nichtklassisches singt. Den Ausweg fand der finnische Arrangeur Jarkko Riihimäki: Für die Amici Veneziani, das von Kermes gegründete Barockorchester, baute er die Coverversionen um und instrumentierte sie, wie das auch ein Komponist des 18. Jahrhunderts getan haben würde. Und die Kermes traktiert die Melodien so lange mit barocken Verzierungen, Koloraturexzessen und irren Spitzentönen, bis "Poker Face" von Lady Gaga eigentlich noch schriller klingt als das Original. Bedauerlich ist nur, dass es vorerst bei vier Songs geblieben ist. Vielleicht kann Kermes den Anteil noch ein bisschen ausbauen, wenn sie ab März mit dem Programm auf Tournee geht?

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