Süddeutsche Zeitung

Barceló: Ärger um UN-Kunst:Das bisschen Haushalt

Darf ein Kunstwerk für den UN-Sitz aus dem Entwicklungshilfe-Haushalt bezahlt werden? Der spanische Künstler Barceló, seine 35000-Kilo-Farb-Kunst und der Ärger.

Javier Cáceres

Knapp eine Woche noch, dann wird das jüngste Monumentalwerk des mallorquinischen Malers Miquel Barceló, 51, am Sitz der Vereinten Nationen in Genf von König Juan Carlos und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eingeweiht.

Auf einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckten sich die Vorbereitungen, die Sympathie und Bewunderung einiger Medien im heimischen Spanien sind dem Künstler längst gewiss. Ein Autor der Zeitung El País, der vor kurzem eine erste, exklusive Begehung machen durfte, nannte das 1400 Quadratmeter große Deckengemälde im "Saal der Menschenrechte und der Allianz der Zivilisationen" sogar "Barcelós sixtinische Kapelle".

Verzweifelt ist Barceló dennoch. Denn wer, fragt er sich, "redet nun noch von der Kunst?" In Spanien nicht mehr allzu viele. Stattdessen ist seit einigen Tagen bloß noch der Mammon in aller Munde.

Erst wollte Außenminister Miguel Ángel Moratinos bei einer Pressebegegnung nicht mit den Gesamtkosten herausrücken. "Kunst hat keinen Preis", tönte er. Dann wurde schließlich offiziell bestätigt, dass die Dekoration des Saals 20 Millionen Euro verschlungen hat. Und doch war es nicht einmal diese Summe, die zu den meisten Aufgeregtheiten geführt hat. Zumal 60 Prozent von Spaniens Großkonzernen aufgebracht werden.

Für Gesprächsstoff sorgte vielmehr, dass eine Zeitung berichtete, 500 000 Euro seien aus dem Fonds für Entwicklungshilfe (FAD) abgezweigt worden. Mittlerweile hat die Angelegenheit das Parlament beschäftigt. "Unmoralisch" sei das Projekt, sagte ein Sprecher der konservativen Volkspartei PP. "Wie viele Impfungen, Brunnen, Renovierungen, wie viele tausend Kinder hätten mit diesem Geld bedient werden können?"

Im engeren Sinne

Billige Polemik, hieß es von Regierungsseite. Zwar würden tatsächlich 500 000 Euro aus dem FAD-Fonds stammen. Entwicklungshilfemittel dürften aber nicht mit Entwicklungshilfe im engeren Sinne verwechselt werden. Was das heißen soll? Die Summe sei nie für "internationale Solidarität" vorgesehen gewesen, wurde daher auch nicht der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als humanitäre Hilfeleistung gemeldet. Das Geld sei stets für die Unterstützung internationaler Organisationen vorgesehen gewesen, zu denen auch die UN gehörten. "Menschenrechte sind Entwicklungshilfe", sagte Javier Garrigues, spanischer UN-Botschafter in Genf.

Barceló selbst leidet unter der Debatte, sie ist ihm unbehaglich. Sein Honorar nannte er angemessen. Er verriet zwar nicht, wie hoch es ist. Wohl aber, dass 80 Prozent der Kosten nichts mit seiner künstlerischen Leistung zu tun hätten. Sie seien auf architektonische und technische Aspekte zurückzuführen.

Unbestritten ist, dass sein Werk teuer war: 20 Mitarbeiter beschäftigte er, unter ihnen einen Koch und einen Höhlenspezialisten, um die Decke mit bis zu zwei Meter großen Tropfsteinen zu verzieren und diese dann zu kolorieren. Er schleuderte 35 000 Kilo Farbe gegen die Decke, mit Paintball-Gewehren. "Gegen die Schwerkraft anmalen", nannte er das.

Und die Kunst? Ein kunterbuntes, bewegtes "Höhlenmeer", nennt Barceló das Resultat, voller Stolz spricht er von einer "Polymetapher". Das Meer stehe für die "Vergangenheit, den Ursprung der Spezies, das Versprechen auf eine neue Zukunft: Die Emigration, die Reise . . ." Die Höhle wiederum sei Sinnbild der Agora, des ersten Versammlungsplatzes des Menschen, des großen afrikanischen Baumes, unter dem man sich zum Palaver einfindet, "für die einzig mögliche Zukunft: den Dialog und die Menschenrechte".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.555738
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.11.2008/rus
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.