Favoriten der Woche:Tatsächlich: ein Sommerhit

Lesezeit: 4 Min.

Der Song "Dance The Night" von Dua Lipa stammt aus Greta Gerwigs Barbie-Film, der im Juli anläuft. (Foto: Atlantic Recording / Warner Bros.)

Der Song "Dance The Night" macht Autobahnen zu Strandboulevards: Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von Kathleen Hildebrand, Marlene Knobloch, Helmut Mauró, Philipp Stadelmaier und Felix Stephan

Pop: "Dance The Night" von Dua Lipa

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Ein Song, der selbst den kaputtesten Nissan, dem sonst nur noch die hochgezogenen Augenbrauen der TÜV-Prüfer folgen, in ein geschmeidiges Cabriolet verwandelt. Ein Song, der das Autobahndreieck Bochum-West zum Strandboulevard macht, während die Hand aus dem offenen Fenster sanfte Meerbrisen beziehungsweise benzinsüße Ruhrpott-Luft streichelt. Ein Song, den man ausnahmsweise mit Jubel in die sonst eher mit Vorsicht zu genießende Radiomoderatoren-Kategorie "Sommerhit" einsortiert: "Dance The Night" von Dua Lipa ist die erste veröffentlichte Single zum neuen Barbie-Film, der im Juli in die Kinos kommt. Fein glitzender 70er-Retro-Discofunk, hüftschwungmotivierender Bass, eindeutige Lyrics, die die Botschaft der Instrumente "Tanz!" mit Glitzerstift unterstreichen, das alles produziert vom geübten Funk-Reanimator Mark Ronson. Und so vielversprechend der Film unter der Regie der grandiosen Greta Gerwig klingt - der Soundtrack (es folgen Haim, Charlie XCX, Tame Impala...) hat das Potenzial, selbst Margot Robbie und Ryan Gosling in den Schatten zu stellen. Marlene Knobloch

Buch: "Ich traf Hitler!" von Dorthy Thompson

"Er ist die Verkörperung des kleinen Mannes", schrieb Dorthy Thompson nach dem Interview mit Hitler. (Foto: dvb Verlag)

Dorothy Thompson war in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts die berühmteste amerikanische Journalistin. Sie interviewte die großen Persönlichkeiten ihrer Zeit. In diesem Zusammenhang bemühte sie sich auch um ein Interview mit Adolf Hitler, dem Kopf einer rasant wachsenden nationalistisch-antisemitischen Bewegung in Deutschland. Hitler aber lehnte Interviews mit ausländischen Reportern ab, bis 1931 die Macht zum Greifen nah war und er nicht mehr nur zu seinen eigenen Leuten sprechen, sondern sich als kommender Führer auch dem Ausland vorstellen wollte. Er gewährte Thompson ein Interview, und erst jetzt erscheint die Reportage, die sie über diese Begegnung schrieb, auch auf Deutsch ("Ich traf Hitler", DVB, 26 Euro).

Sie bietet einen Einblick in das, was Ernst Bloch das "Dunkel des gelebten Augenblicks" nannte. Als Thompson zu Hitler vorgelassen wird, macht sie sich keine Illusionen über dessen Antisemitismus und Revanchismus. Aber natürlich hat sie keine Vorstellung. Hitler lässt sie warten, ein italienischer Journalist ist vor ihr dran, sie spricht mit dem Pressechef, Ernst Hanfstaengl, "Harvard-Absolvent, bei seinen Kommilitonen berühmt für sein Klavierspiel und seine Marotten, (...) die merkwürdigste Wahl für den Pressechef eines Diktators, die man sich vorstellen konnte".

Als sie das Zimmer betritt, glaubt sie, dem künftigen Diktator Deutschlands zu begegnen, "keine fünfzig Sekunden später war ich ziemlich sicher, dass dies nicht der Fall war". Die Bedeutungslosigkeit dieses Mannes beschreibt Thompson als "verblüffend": formlos, ein Gesicht wie eine Karikatur, redselig, von schlechter Haltung, unsicher. "Er ist die Verkörperung des kleinen Mannes." Unverblümt diktiert er ihr, dass er, sobald an der Macht, Parlament und Verfassung auflösen werde.

Doch sein rhetorisches Talent entgeht ihr nicht. Sie fordert ihr amerikanisches Publikum auf, sich Hitler wie Aimee McPherson vorzustellen, eine evangelikale Predigerin, die die Massenmedien früh zu nutzen wusste. "Und dann stellen Sie sich vor, diese Gabe wird eingesetzt, um Menschen in einem Land aufzuwiegeln, in dem alle den Druck von heute und die Unsicherheit von morgen spüren." Felix Stephan

Serien: Roy Kent in "Ted Lasso"

Brett Goldstein spielt in der Serie den misanthropischen, stark behaarten Fußballer Roy Kent. (Foto: Ian West/picture alliance/dpa/PA Wire)

Am Mittwoch ist die Serie "Ted Lasso" zu Ende gegangen. Neben der Erkenntnis, dass eine Serie auch mit Nettigkeit statt großen Dramas sehr viele Preise gewinnen kann, hat sie der Fernsehgeschichte eine Figur hinzugefügt, die sehr gute Chancen hat, legendär zu werden - den misanthropischen, stark behaarten Fußballspieler und -trainer Roy Kent. Der englische Komiker, Schauspieler und Autor Brett Goldstein hat ihn entwickelt und spielt ihn selbst als Verkörperung aufgestauter Wut. Kent spricht gepresst mit tiefer, rauer Stimme, trägt ausschließlich Schwarz und flucht in jedem Satz mindestens einmal, auch wenn er seine kleine blonde Nichte aus der Grundschule abholt. Aber dann streckt er wortlos seine Hand aus, das Mädchen nimmt sie und so gehen sie über den Schulhof. Drei Staffeln lang hat Roy Kent versucht, seine Verpanzerung abzulegen, zugänglicher zu werden, netter. Am Ende ist es ihm beinahe geglückt. Seinen rauen Charme aber hat er behalten. Mit seinen Worten: "Fuck", was für ein Typ! Kathleen Hildebrand

Klassik: Freiburger Barockorchester, "Mozart's Mannheim"

Geniestreiche fallen nicht aus dem Ärmel, wie bei Mozart zu beobachten. (Foto: Deutsche Grammophon)

Ganz verschwinden wird es wohl nie, das Klischee vom musikalischen Genie, das vom Himmel fällt. Manchmal, etwa im Fall Mozart, ist es auch schwer, nicht an Geniestreiche zu denken. Dass selbst die nicht aus dem Ärmel fallen, kann man bei Mozart ganz gut beobachten. Eine zentrale Quelle seiner Klangideen war das Mannheimer Hoforchester, unter deren Orchestermusikern einige Komponisten von Rang herausragten. In diesem Orchester entstand der Klang des modernen Sinfonieorchesters, und als Mozart diese Truppe hörte, war er schlichtweg hingerissen. Das Freiburger Barockorchester hat nun einige dieser Komponisten auf der CD "Mozarts Mannheim" versammelt - einige Werke in Weltersteinspielung und fast durchweg in erwartbar hoher musikalischer und musikantischer Qualität. Helmut Mauró

Film: "Touki Bouki" von Djibril Diop Mambéty

Jede Einstellung ein kleiner Gag à la Chaplin: Szene aus "Touki Bouki". (Foto: Trigon Film)

Im Jahr 1973 entstand der "Easy Rider" des senegalesischen Kinos. Nun ist das hierzulande viel zu unbekannte, durch Martin Scorseses Film Foundation restaurierte Meisterwerk wieder auf deutschen Kinoleinwänden zu sehen. Die Protagonisten: ein junger Mann, Schlachthausarbeiter und Kleingauner, und eine junge Frau, Studentin. Der Ort: das postkoloniale Dakar in Senegal. Zusammen besteigen sie ein mit einem Stierhorntotenkopf geschmücktes Motorrad und brausen davon. Wohin? Ins ferne Paris vielleicht, das ein Jingle als kleines Fleckchen Paradies auf der Erde ankündigt. In jedem Fall: in Richtung der Utopien.

Jede Einstellung ist ein kleiner Gag à la Chaplin, die jungen Glücksritter sind zwei Komiker aus der desavouierten Unterschicht der ehemaligen Kolonie. Sie wollen sich nicht an die Regeln halten, wissen, dass sie schwindeln und aufschneiden müssen, um zu reüssieren. Hier und dort lassen sie Geld mitgehen, schicke Klamotten, das Auto eines schwulen Playboys. Auf ihrer Reise stechen die (fantastisch restaurierten) Farben ins Auge: das Blau des Meeres, das Braun der Erde, das Rot des Blutes und der Karosserien. Die Farben intensivieren die Wirklichkeit, verwandeln sie in jene Phantasmagorie, in der das junge Paar sich von Menschen am Straßenrand bejubeln lässt wie Herrscher. Doch in Wahrheit regiert die schwindelerregende Montage des Films. Sie treibt die Figuren zusammen und wieder auseinander, im Rhythmus ihrer Träume.

"Touki Bouki" ist einer dieser Siebzigerjahre-Filme, die auf die Utopien zusteuern und dabei alles hinter sich lassen - irgendwann sogar die Utopien selbst. Wer unbedingt nach europäischen Vorbildern sucht, landet bei Antonionis "Zabriskie Point" oder Godards "Pierrot le fou". Da sind offene Räume, radikale Transformationen, Wege ohne Ziel. Der Film schert ständig aus, bewegt sich frei im Raum und der Zeit. Am Ende springt er einfach zum Anfang zurück. Als könne er sich jederzeit überallhin bewegen, um neue Aufbruchsmomente zu finden. Philipp Stadelmaier

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