Banksy-Verkaufsausstellung bei Sotheby's:Vom verfolgten Sprayer zum gefeierten Künstler

Die ersten Bilder gingen für 50 Pfund weg. Heute ist Graffitikünstler Banksy so berühmt, dass Sotheby's seine Arbeiten nicht nur auf eine halbe Million Pfund taxiert, sondern sie nun auch in einer Verkaufsausstellung in London anbietet. Hält das diese Kunst aus?

Von Alexander Menden, London

6 Bilder

Pulp Fiction von Banksy

Quelle: Sotheby's

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Steve Lazarides ist ein guter Zeuge, wenn es um den Handel mit Banksy-Bildern geht. Denn er war der erste, der den Graffitikünstler auf den Markt brachte. Heute ist Banksy so berühmt, dass Sotheby's seine Arbeiten nicht nur auf eine halbe Million Pfund taxiert, sondern sie nun auch in einer Verkaufsausstellung in London anbietet. Hält das diese Kunst aus?

Die nächstliegenden Fragen sollte man immer gleich aus dem Weg schaffen, also: Sie kennen Banksys wahre Identität, oder, Mr. Lazarides? "Ja, die kenne ich. Leider."

Steve Lazarides lässt das mal so stehen. Obwohl er nicht ins Detail geht, spürt man, dass das persönliche Verhältnis zu dem Künstler, dem er dabei half, ein Weltstar zu werden, schon mal besser war.

Seit 2009, als sich ihre Wege trennten, hat Lazarides keinen direkten Kontakt mehr zu dem "Guerilla-Sprayer" und Megaseller Banksy gehabt; wenn sie kommunizieren müssen, dann tun sie das über Banksys Firma Pest Control.

Mit kahlgeschorenem Kopf und Sonnenbrille wirkt der Mann, dem man in der S|2-Galerie des Londoner Auktionshauses Sotheby's begegnet, auf den ersten Blick wie ein englischer Wide Boy - geschäftstüchtig, aber nicht unbedingt vertrauenerweckend.

Im Gespräch verströmt er dann aber eher die Verbindlichkeit eines Mayfair-Galeristen. Das passt, Lazarides ist Gründer einer Galerie in Fitzrovia. Vor allem aber war er derjenige, der als Erster Banksys Bilder im Auftrag des Künstlers verkaufte. "Für 50, 100 Pfund", das war um das Jahr 2000 herum.

Der Druck "Pulp Fiction" wurde zum ersten Mal 2004 ausgestellt. Er stammt aus einer Edition mit der Auflage von 150.

"Keep it real" von Banksy

Quelle: Sotheby's

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Einige dieser Kleinformate hängen jetzt bei Sotheby's "Nichtautorisierter Retrospektive", selbstverständlich eine Verkaufsausstellung, die bis zum 25. Juli läuft.

Mittlerweile kosten sie etwas mehr, schon wegen des Promi-Aufschlags, schließlich ist auch Brad Pitt ein Fan. Das teuerste Bild ist um eine halbe Million Pfund taxiert. Sotheby's hat Lazarides gebeten, die Schau zu kuratieren. "Lustig, hier Sachen aufzuhängen, die ich damals in Bristol in meinen Kofferraum geschmissen und zu Kunden gefahren habe.

Lazarides war Bildredakteur der Gratiszeitschrift Sleazenation, als er Banksy kennenlernte. Er hatte Banksy, der wie er selbst aus Bristol stammt, fotografiert, und begann kurz darauf, dessen Schablonenarbeiten auf Leinwand zu verkaufen.

"Keep it real", Künstler: Banksy, 2001

Avon and Somerset constabulary, Banksy

Quelle: Sotheby's

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Lazarides zeigt auf ein blaues Quadrat, in dessen linker unterer Ecke zwei Polizisten mit Fernglas in die Gegend starren: "Das hier, "Avon and Somerset Constabulary" von 2001, gibt eine ganz gute Erklärung dafür, warum Banksy nie seine Identität preisgeben wollte. Die Polizei war sehr hinter Sprayern her."

Die Anonymität war also gar kein PR-Kniff, sondern Selbstschutz? "Ja", beteuert Lazarides, "er wäre sonst sofort verhaftet worden." Der Kurator fügt aber auch an, dass er Street Artists kenne, die das Arbeiten mit Schablonen für ziemlich risiko- und damit wertlos halten, weil sie so schnell vonstattengehe.

Heute ist die Gefahr für Banksy so oder so gering. Nicht so sehr, weil er seinen Klarnamen besonders gut geheim gehalten hätte, sondern weil das, was vor anderthalb Jahrzehnten noch Vandalismus hieß, heute nach Ansicht vieler Sammler große Kunst ist.

"Avon and Somerset constabulary" Künstler: Banksy, 2001

Kissing Coppers, Künstler: Banksy

Quelle: Sotheby's

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Einen Galeristen braucht er auch nicht mehr: Wann immer ein Banksy an einer Wand auftaucht, machen Medien die Öffentlichkeitsarbeit für ihn. Während seines Aufenthalts in New York Anfang des Jahres riss die Aufregung nicht ab, während täglich ein neuer Banksy irgendwo zu sehen war.

Und als es Mitte April in Cheltenham plötzlich ein Graffito dreier Männer mit Schlapphüten gab, die eine Telefonzelle abzuhören schienen, wurde das gleich in allen britischen Zeitungen als ein politischer Kommentar von Banksy eingeordnet.

Immerhin liegt das Hauptquartier des britischen Abhördienstes gleich um die Ecke. Gerade hat Banksy auf seiner Internetseite bestätigt, dass die Arbeit von ihm stammt. Die größte Vandalismusgefahr für die Wand, auf der es prangt, besteht nun darin, dass jemand das Bild herausreißt und zu verkaufen versucht.

"Keine Ahnung, warum die Leute das machen", sagt Lazarides. "Diese Bilder sind ja nicht signiert, also wertlos." Im Gegensatz zu jenen 70 Arbeiten, die derzeit an den - vom Kurator als "Underground"-Effekt mit roter Farbe bespritzten - Galeriewänden in London hängen.

Hier fällt zunächst auf, wie sehr viele von Banksys Bildern mittlerweile Teil der Pop-Ikonografie geworden sind: Die knutschenden Polizisten...

"Kissing coppers", Künstler: Banksy, 2006

Turf War, Künstler: Banksy

Quelle: Sotheby's

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... Churchill mit grünem Irokesenschnitt. Oder "Napalm", auf dem das nackt vor einem US-Angriff fliehende vietnamesische Mädchen Kim Phuc von Micky Maus und Ronald McDonald an der Hand geführt wird.

"Turf War", Künslter: Banksy, 2003

Soup Cans, Künstler: Banksy

Quelle: Sotheby's

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Banksy hat sich motivisch zudem immer wieder bei Warhols Suppendosen oder Marilyn-Porträts bedient, sein Bild der Queen als Schimpanse ist eine Weiterverarbeitung eines Sex-Pistols-Plattencovers.

Diese Wiedererkennbarkeit funktioniert gut in dem Rahmen, für den die Bilder gemacht sind - für den auf der Straße. Als Londoner freut man sich, wenn man einen Banksy gleichsam in freier Wildbahn entdeckt, den die Stadtverwaltung noch nicht zum Schutz vor Kunsträubern und Witterung hinter Plexiglas gesteckt hat.

Aber an einer Galeriewand wirken die Bilder seltsam flach und schal. Der Effekt ist ganz ähnlich wie bei Banksys Selbstparodie in der gigantischen Londoner "Mr Brainwash"-Ausstellung vor zwei Jahren.

Da zeigte der Franzose Thierry Guetta quietschbunte Abklatschkunst, von der geraunt wurde, sie stamme von Banksy selbst. Bei Sotheby's ist auf jeden Fall alles Primär-Banksy, so viel kann Lazarides garantieren, der aber auch unumwunden zugibt, dass der Künstler diese Schau hassen würde. Den Verkaufswert der angebotenen Arbeiten wird das kaum schmälern.

"Soup cans (Blue and Red on Cream)", datiert: 06, Künstler: Banksy

© SZ vom 13.06.2014/pak
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