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Banksy in der Londoner U-Bahn:Das Ratten-Ding

Mit seinem neuesten Werk warb Banksy in der Londoner U-Bahn für das Tragen von Masken, doch die Graffiti fielen umgehend einer Putzkolonne zum Opfer.

Von Alexander Menden

Die britische Regierung ist in Sachen Maskenpflicht einen derart verwirrenden Kurs gefahren, dass in England niemand genau weiß, welche Schutzmaßnahmen nun eigentlich im öffentlichen Raum vorgeschrieben sind. Vizepremier Michael Gove wurde am selben Tag, an dem er verkündete, von nun an müssten in Geschäften aber wirklich alle Masken tragen, ohne Maske in einem Sandwichladen fotografiert. Sein Tory-Parteikollege Desmond Swayne geißelte im Parlament jede Maskenpflicht zornesrot als "monströse Zwangsmaßnahme".

Wo eine offizielle Ansage fehlte, sprang die Kunst ein, und zwar mal wieder in Person des folkloristischen Graffiti-Sprayers und Kunstmarktlieblings Banksy. Am Dienstag wurde ein Video bei Instagram gepostet, in dem jemand - anscheinend Banksy selbst - in einem Schutzanzug und mit Atemmaske in eine Londoner U-Bahn steigt. Dort sprüht er, unter den irritierten Blicken Mitreisender, Ratten an die Waggonwände, die Gesichtsmasken als Fallschirme verwenden oder Desinfektionsmittel versprühen. Eine Ratte lässt er grünen Schleim gegen eine Scheibe niesen, eine dritte hat sich in einem Mund-Nasen-Schutz verheddert. Am Ende des Clips steigt der Sprayer am Euston Square aus, auf der Stationswand und der Innenseite der U-Bahn-Tür erscheint der Spruch "I get Lockdown, but I get up again" - eine Variante des Chumbawamba-Hits "Tubthumping".

Abgesehen von Banksys anerkennenswertem Engagement für die öffentliche Gesundheit - die Arbeiten wurden als Aufforderung zum Maskentragen verstanden - hatte er dem Unternehmen Transport for London (TfL) mit ihnen ein potenziell sehr lukratives Geschenk gemacht. Immerhin gehen Banksy-Arbeiten für Millionen weg. Doch die Aufwertung des U-Bahn-Wagens währte nicht lange: Kurz nach Veröffentlichung des Videos gab TfL bekannt, die Graffiti seien "vor einigen Tagen" entfernt worden.

Offiziell wurden strenge Anti-Graffiti-Richtlinien als Grund genannt. Der Londoner Evening Standard zitiert einen TfL-Mitarbeiter, der berichtet, man habe das Video geprüft und dann mit dem zuständigen Reinigungsteam gesprochen: "Es stellte sich heraus, dass sie vor ein paar Tagen eine Art 'Ratten-Ding' bemerkt und es entfernt hatten, wie es ihre Aufgabe war."

Den nun vereinzelt erhobenen Vorwurf des "kulturellen Vandalismus" wies er von sich. Das Transportunternehmen hat Banksy nun eingeladen, seine Botschaft "an einem geeigneten Ort" erneut zu verkünden.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2020
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