Bandbattle Westernhagen vs. Sido:Kuscheln statt kämpfen

Gemeinsamer Auftritt Westernhagen und Sido

Sido (l.) und Marius Müller-Westernhagen bei ihrem Kuschel-Battle in Berlin

(Foto: dpa)

Drollige Duette stehen derzeit hoch im Kurs: Lady Gaga trällert mit Tony Bennett, Rihanna mit Eminem - und in Deutschland? Loben sich Sido und Marius Müller-Westernhagen gegenseitig und nennen das Battle.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Vielleicht muss man sich das nochmal in Erinnerung rufen: Der Begriff Battle stammt aus dem Englischen und bedeutet Kampf, Schlacht, Gefecht oder auch Streit. Das sind eigentlich Disziplinen, mit denen sich die Herren Paul Hartmut Würdig (33, genannt Sido) und Marius Müller-Westernhagen (65, genannt Westernhagen) durchaus auskennen:

Sido ging dereinst nur mit verchromter Totenkopfmaske vor die Tür, startete seine Rapperkarriere mit dem "Arschficksong" und legte sich mit Bushido und den Österreichern an. Westernhagen ging in jungen Jahren musikalisch erst die Bayern an, dann die Dicken. Man sollte also meinen, die beiden wüssten, wie man sich ordentlich streitet.

Bei ihrem Battle in Berlin aber hatten sie nun offenbar keine Lust dazu. Ganz im Gegenteil: Unter dem Motto "Musikhelden" traten Sido und Westernhagen am Sonntagabend in einen musikalischen Wettstreit, der keiner war. Zwar standen beide auf einer Bühne in Pankow, Publikum war auch vorhanden, gesungen wurde ebenfalls. Allerdings keinesfalls gegeneinander, sondern sehr harmonisch im Duett.

"Der eine macht Rap, der andere Rock. Aber von den Typen her und von dem, was wir zu sagen haben, ist es dasselbe", sagte Sido, der statt Maske inzwischen Bart, Brille und Mütze trägt, "uns verbindet eine proletarische Sicht auf die Dinge". Weshalb die beiden einen gemeinsamen Song performen, der vom Einreißen von Grenzen handelt. Wenn Sido rappt, wirbelt Westernhagen in schwarzer Lederfransenjacke dazu über die Bühne. Wenn Westernhagen rockt, wippt Sido dazu mit dem Fuß. Von Battle keine Spur.

Wenn Sido eigene Lieder singt, räumt Westernhagen die Bühne - und umgekehrt. Zwar singen sie auch ein paar gemeinsam, das aber voller Ehrerbietung. "Es ist mir eine riesengroße Ehre: der beste Song der Welt - und ich darf mitsingen!", kündigt Sido Westernhagens "Sexy" an - und hat dann sichtlich Spaß, "du lässt ihn deine hohen Stiefel lecken" ins Mikro zu jauchzen. Umgekehrt kündigt Westernhagen Sidos Hit "Einer dieser Steine" als "einen deiner besten" an - und legt sich jaulend ins Zeug, um ihn streckenweise selbst zu inszenieren. Das wirkt mal skurril, mal passt es gut zusammen, allein: Es ist kein Battle, sondern Gekuschel.

Partnerlook - das rockt

Das haben Teile des Publikums nach dem Konzert zu bemängeln, man habe "anderes erwartet". Andere ziehen glückselig strahlend in die Nacht, weil sie sich von der durchaus rührseligen Stimmung vor allem Westernhagens haben mitreißen lassen, und tragen "Alphatier"-T-Shirts seiner gleichnamigen Tournee.

Und weil die Stimmung gerade so schön kuschelig war, hat Westernhagen bei der Gelegenheit auch gleich seine neue Lebensgefährtin mitgebracht: Der Altrocker, der 25 Jahre lang mit dem ehemaligen Topmodel Romney liiert war, ließ die südafrikanische Sängerin Lindiwe Suttle durchaus stimmgewaltig das Konzert eröffnen und sang am Ende mit ihr ebenfalls im Duett: "Gib mir noch Zeit, ich bin noch nicht so weit" ist eine Zwiesprache mit Gott, in der Westernhagen über seine Zeit auf Erden verhandelt, wozu ihn seine neue Freundin inspiriert habe. Auch sie trägt Lederfransenjacke. Partnerlook - das rockt.

"Geht nach Hause und liebt euch!"

Duette stehen derzeit in der Musikwelt hoch im Kurs: Lady Gaga hat sich Jazz-Legende Tony Bennett gekrallt, Rihanna den Rüpel-Rapper Eminem, in Deutschland sind Udo Lindenberg und Jan Delay schon ganz dicke geworden miteinander. Dass nun aber ausgerechnet Sido und Westernhagen im Duett harmonisieren, hätte man vielleicht nicht als Battle verkaufen sollen. Dann wäre es einfach ein zwar ungewöhnliches, aber nettes Konzert gewesen von einem Altrocker, der nochmal jung sein will, und einem Skandalrapper, der jetzt brav ist.

Aber außer Duetten ist inzwischen in der Musikwelt eben Kuscheln angesagt: Sendungen wie The Voice setzen auf Lob des Nachwuchses anstelle von Bohlen-Bashing, TV-Shows wie Sing meinen Song lassen Musiker sich gegenseitig liebhaben. Oder, wie Westernhagen es am Ende formulierte: "Geht nach Hause und liebt euch!" Kann man machen, muss man aber nicht.

Dieser raumgreifende Trend jedenfalls bräuchte mal einen neuen Namen, Battle passt ja nun nicht mehr. Wie wäre es denn mit: Knuddle.

Die ARD sendet in der Nacht zum 23. November um 0.40 Uhr den Konzertfilm "Musikhelden - Westernhagen versus Sido".

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