Ballett:Wachwechsel auf ganzer Linie

Sasha Waltz und Johannes Öhmann übernehmen Berlins Staatsballett und führen es in allen Belangen aus der Pirouetten-Nische. Denn auch zeitgenössisch ausgebildete Tänzer sollen nun dazugehören.

Von DORION WEICKMANN

Die Berliner Choreografin Sasha Waltz und der Direktor des Königlich Schwedischen Balletts, Johannes Öhmann, übernehmen ab 2019 die Leitung des Berliner Staatsballetts. Das Tandem löst den glücklosen Nacho Duato ab, der dem Ensemble seit zwei Jahren vorsteht, aber weder künstlerisch noch konzeptionell punkten konnte. Auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz verkündete der Regierende Bürgermeister Michael Müller die Personalie. Sie bedeutet nicht nur einen Wachwechsel an der Spitze der größten deutschen Ballettkompanie, sondern ein ästhetisches und administratives Revirement auf ganzer Linie.

Denn Waltz und Öhmann werden gleichberechtigt agieren und sämtliche künstlerischen Entscheidungen gemeinsam verantworten. Ein zukunftsweisendes Modell, das in der deutschen Tanzlandschaft bislang nicht vertreten ist. Sasha Waltz, die im zeitgenössischen Tanz verwurzelt ist und an großen Häusern von Paris bis St. Petersburg gearbeitet hat, bleibt genug Spielraum für eigene Choreografien. Sie will sowohl für das Staatsballett als auch für ihr seit 20 Jahren existierendes Kollektiv "Sasha Waltz & Guests" neue Stücke entwerfen. Ob diese persönliche Doppelmission gelingt, wird sich im Lauf der fünfjährigen Vertragslaufzeit weisen.

Johannes Öhmann ist als Co-Intendant eine Ideal-Besetzung. Der Ex-Tänzer hat als Direktor der Tanzkompanien von Göteborg und Stockholm jeweils vorbildlich attraktive Repertoirepolitik betrieben: mit einer Mischung aus Traditionswerken und Experimenten, von Altmeistern wie Mats Ek und Newcomern wie Alexander Ekman inszeniert.

Genau das wollen Waltz und Öhmann auch in Berlin umsetzen und damit das zusehends im Pirouetten-Schmock erstickte Staatsballett in die Gegenwart holen. Dafür werden sie auch mit einer bis dato eisern verteidigten Regel des klassischen Tanzes brechen, die besagt: Im Ballettsaal haben nur Ballerinen und Ballerinos etwas zu suchen! Johannes Öhmann setzt auf "vielfältige Kompetenzen im Ensemble, auf unterschiedliche Stile". Demnach werden künftig auch zeitgenössisch ausgebildete Tänzer dem Berliner Staatsballett angehören - ein interessanter Schritt in Richtung Diversität.

Alles in allem klingt das, was Waltz und Öhmann vorhaben, nach einer epochalen Wende. Wer den Niedergang des Berliner Staatsballetts verfolgt hat, kann daher nur inständig hoffen, dass der Aufbruch glückt.

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