Ballett:Kanon tanzen

Duo Staatsoper

Schutzlos sind die Tänzer wie Stefano Maggiolo in ihrer hautfarbenen Leibwäsche ausgestellt.

(Foto: Wilfried Hösl)

"Duo" - eine Uraufführung bei der Festspielwerkstatt

Von Eva-Elisabeth Fischer

So hat man die Reithalle noch nicht gesehen: völlig leergeräumt. Zuschauerreihen umgrenzen zwei identische Rechtecke, zwischen denen die Musiker in einer Versenkung Platz nehmen. Ins knapp bemessene Zentrum drängen sich auch immer wieder die im Titel angekündigten "vielen Tänzer" - es sind am Premierenabend 19 - , um die beiden Tanzflächen in einem sich stets variierenden lautmalerischen Spiel der Fragen zu entern. Sie alle sind Teil eines Musik- und Tanzprojekts, genannt "Duo. For many dancers and 9 musicians", das sich in seiner enormen Qualität einer Kategorie wie "modern" vollends entzieht. "Duo" gewährt vielmehr, unabhängig von Zeiten und Moden, ein intensives synästhetisches Erlebnis als bewegten Dialog von Klängen und Körpern.

Die komplexe Struktur und klangliche Textur gibt "Schnee" vor, eine einstündige, bereits 2008 uraufgeführte Komposition von zehn Kanons für neun Musiker des Dänen Hans Abrahamsen. Als frenetisch umjubelte Ballett-Uraufführung mit Tänzern des Bayerischen Staatsballetts bei der Festspiel-Werkstatt ist sie zugleich das vielversprechende Vorspiel zur Aufführung von Abrahamsens Oper die "Schneekönigin" in der Bayerischen Staatsoper im Dezember. Abrahamsens formales Gerüst macht es Nanine Linning, der holländischen Gastchoreografin, leicht und schwer zugleich.

Linning greift das Prinzip des Kanons auf, überträgt den Dialog verschiedener Instrumente, zunächst Geige und Klavier, dann Streicher- und Bläsergruppen, auf verschiedene Tänzerformationen, Soli und Duette, die mal, eben wie im Kanon, zeitlich versetzt bestimmte Variationen tanzen oder aber auch synchron agieren, wobei man als Zuschauer, das jeweils vordere Tanzgeviert im Blick, das Tanzgeschehen auf dem hinteren partiell sieht. Die Tänzer, sie wirken, ohne die Musik illustrativ nachzubuchstabieren, als physische Verstärkung der synästhetischen Kraft der Klänge, deren komplexe Rhythmik und Phrasierung Dirigent Gregor A. Mayrhofer minutiös mit den Musikern herausarbeitet.

Was einfach sich anhört, hat also einen vertrackten Unterbau. Abrahamsen, den Naturphänomene seit je faszinieren, unterläuft außerdem mit "Schnee" gängige Assoziationen, ordnet zum Beispiel den lautlos fallenden Schneeflocken den zwar kaum hörbaren und dabei doch schrillen Klang am Steg angerissener Violinsaiten zu. Solche Lautermalerei steigert sich etwa zur Halbzeit zum transparent geordneten Instrumententumult.

Linning greift die formalen Vorgaben auf und setzt doch ihre eigenen Bilder dagegen, visualisiert gleichsam Klangwellen in Wellenbewegungen im Auf und Ab der miteinander korrespondierenden Tänzer, ein Effekt, den die plastischen Schwarzweißröcke aus dem 3D-Drucker von Irina Shaposhnikova noch hervorheben. Wenn diese fallen, sind sie schutzlos ausgestellt, die Tänzerinnen und Tänzer in ihrer hautfarbenen Leibwäsche - ausgesetzt einer sehr reinen, existenziellen Gemeinschaftserfahrung, derer auch das Publikum teilhaftig wird.

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